Dreißigstes Kapitel.
1. Die nun gegen ihn von beinahe Jedermann ausgestoßenen Lästerungen fand er unerträglich,1 S. 171 und suchte daher eine Stadt, die Rom das Gegengewicht halten könnte, um sich in derselben einen Pallast zu erbauen. 2. Als er zwischen Troas und dem alten Ilium einen, für die Erbauung einer Stadt bequemen Plaz gefunden hatte, legte er den Grund dazu, und brachte einen Theil der Mauer zu seiner Höhe; welchen man noch izt auf der Fahrt gegen den Hellespont sehen kann. 3. Doch änderte er seinen Sinn;2 ließ den Bau unvollendet, und begab sich nach Byzantium. Die S. 172 Lage dieser Stadt bewundernd, beschloß er, sie möglichst zu erweitern, und zur Residenz eines Kaisers geschickt zu machen. 5. Denn sie liegt auf einer Anhöhe, und faßt einen Theil der Erdzunge in sich, welche das sogenannte Keras (Horn) [so hieß der Hafen] und der Propontis bilden. 6. Ehedem hatte sie ein Thor an der Stelle, wo die Hallen sich endigen, welche Kaiser Severus erbauen ließ, nachdem sein gegen Byzanz, das seines Gegners Nigers Partei genommen, gefaßter Zorn sich gelegt hatte. 7. An der Westseite erstreckte sich die Mauer vom Hügel bis zum Tempel der Aphrodite und an das Meer, Chrysopolis [h. z. T. Scutari] gegenüber. 8. Von der Nordseite der Anhöhe zog die Mauer sich auf gleiche Weise bis zum Hafen herab, welcher den NamenNeorium (Schiffswerft) führt; und jenseits noch bis an das Meer gerade der Mündung gegenüber, durch welche man in den Pontus Euxinus hinanseegelt. 9. Diese Erdzunge hat bis an den Pontus eine Länge von ungefähr dreihundert Stadien. Dieses ist die Größe der alten Stadt. 10. Wo nun ehemals das Thor war, baute er ein Forum von runder Figur, umgab dasselbe mit doppelt bedeckten Hallen, und errichtete aus Prökonnesischem3 Marmor zwei sehr große, einander gegenüber stehende Triumphbogen, durch welche man einen Eingang in die Hallen des Severus und einen Ausgang aus der alten Stadt S. 173 hatte. 11. Weil er aber die Stadt noch sehr zu vergrößern dachte, so umgab er dieselbige mit einer neuen Mauer, welche funfzehn Stadien weit von der alten entfernt war, und die Erdzunge von einer Seite des Meers zur andern umfaßte.4
S. Gibbon Abn. und Fall des R. R. Th. III. der Uebers. S. 4. 5.
Die Ursache, welche Konstantin zur Wahl einer neuen Residenz bewog, wird verschiedentlich angegeben. Zosimus findet sie in dem Verdruß über die Schmähreden der Einwohner Roms; was man, gesezt die Menge in Rom hätte gedacht und laut gesprochen, wie Zosimus, ziemlich unwahrscheinlich finden wird, in Betracht, daß dem staatsklugen Kaiser wichtigere Gründe die Wahl einer neuen Residenz anrathen mußten. Rom konnte eines thätigen und für die Sicherheit des Reichs sorgsamen Regenten Aufenthaltsort nicht seyn. In Osten drohte die Persische Macht dem Römischen Staate wegen der morgenländischen Provinzen; gegen Norden sassen jenseits des linken Donauufers fürchterliche Feinde, die mannichfaltigen gothischen, überhaupt germanischen, Völkerstämme. Ein thätiger Kaiser suchte beiden schnell und mit Nachdruck zu begegnen. Hierzu war ein Aufenthalt an Asiens und Europa’s Grenzen am gelegensten. So gewiß dieses Konstantin einsah, so sicher darf man glauben, daß er vornämlich aus dieser Rücksicht zuerst in der Nachbarschaft des alten Troja sich eine Residenz erkieste; hernach aber das ungleich gelegenere Byzantium wählte. Sonderbar genug sind die Behauptungen, bald daß er aus Weichlichkeit, bald daß es aus Sehnsucht, einen gesunden Aufenthalt zu haben, geschehen sey. Ehrgeiz oder Ruhmbegierde oder Eitelkeit, was andere für die Triebfeder ausgeben, mag sich ebenfalls zu dem Hauptbewegungsgrunde gemischt haben; und ich sehe nicht ein, warum Konstantin selbst wegen dieses Antheils, den Ruhmbegierde an der Wahl von Byzanz gehabt haben mag, Tadel verdienen sollte? Wie Hr. Reitemeier anführt, sagt Konstantin, (L. 7. de navicular. Cod. Theodos.) daß es auf göttlichen Befehl geschehen sey; eine Ursache, welche der gedachte Gelehrte für erdichtet auszugeben, keinen Anstand nimmt. Daß übrigens der Römer, besonders der heidnische, Abneigung gegen denselben noch größer durch die Verlegung der Residenz geworden seyn möge, welche er Neu Rom wollte genannt haben, ist leicht begreiflich. ↩
Zonaras und Cedrenus geben noch mehrere Orte an, die K. zu seiner Residenz widmen wollte. S. Gyllii Constantinop. P. 30. der überhaupt hier als Kommentar dient. S. ↩
Prökonnesus war eine Insel des Propontis, deren weißer Marmor berühmt war. ↩
„Ueberschaut man Byzanz in dem Umfang, den es mit dem würdevollen Namen Konstantinopel erlangte; so läßt sich die Figur der Kaiserstadt unter der Form eines ungleichseitigen Dreyecks vorstellen. Die stumpfe Spitze, die gegen Osten und die asiatische Küste verläuft, begegnet den Wellen des thrazischen Bosporus und treibt sie zurück. Die Nordseite der Stadt begrenzet den Hafen, und die Südseite bespült der Propontis oder das Meer von Marmora. Die Grundseite des Dreiecks ist gen Westen gerichtet und berührt das feste Land von Europa.“ ↩
