Achtzehntes Kapitel. Der Kaiser belagert und erobert Barsabora.
Der Kaiser beschloß, diese Stadt zu erobern und ermunterte seine Soldaten zu dieser That. S. 255 2. Da sie nun mit aller Bereitwilligkeit zur Vollziehung seines Befehls eilten, so wollten sich die Einwohner friedlich ergeben, und baten bald, er möchte den Hormisdas ihnen zuschicken, damit sie sich wegen des Vertrags mit ihm besprechen könnten; bald überhäuften sie diesen mit Schmach, als einen Ueberläufer, Flüchtling und Verräther des Vaterlandes. 3. Darüber gerieth der Kaiser, wie natürlich in Zorn, und befahl, Alle sollten das Werk angreifen, und die Belagerung mit Eifer betreiben. 4. Da nun jeder zu dem Posten eilte, auf den er befehligt war, so sahen die Einwohner, daß sie nicht hinreichend waren, die Mauer der Stadt zu schützen, und flohen alle auf die Burg. 5. Sobald Julian es bemerkte, sandte er in die von den Einwohnern entblößte Stadt seine Macht, die dann die Mauern besezte, die Häuser verbrannte, 6. auf den Trümmern der Stadt Maschinen aufstellte, und von da die in der Burg mit Geschossen und Steinen beschoß. Weil sie aber von der Burg auch mit Steinen und Geschossen sich gegen die Belagerer vertheidigten, so blieben viele von beiden Seiten. Izt errichtete der Kaiser, entweder von der Lage des Orts durch eignen Verstand geleitet, oder durch viele Erfahrung belehrt, folgendes Werkzeug. 7. Er verband große Stücke von Holz mit Eisen, machte dadurch eine Art von einem viereckigten Thurme, stellte ihn der Mauer der Burg entgegen, erhöhete ihn in kurzer Zeit so sehr, daß er die Höhe dieser Mauer erreichte, und S. 256 ließ Bogenschützen und andere, die Steine und Geschosse warfen, auf diese Maschine steigen. 8. Da nun die Perser izt sowohl von1 Belagerten als auch von denen, die auf der Maschine stunden, von allen Seiten verwundet wurden, so thaten sie zwar noch eine Zeitlang Widerstand: endlich aber versprachen sie einmüthig, die Burg zu übergeben, wenn ihnen der Kaiser keine zu harte Bedingungen auferlegte. 9. Man wurde eins, die eingeschlossenen Perser sollten, jeder mit einer bestimmten Geldsumme und einem Kleide, sicher durch das Heer abziehen, und dem Kaiser die Burg übergeben. 10. Hierauf wurden ungefähr fünftausend2 entlassen, ausgenommen diejenigen, denen es gelang auf kleinen Schiffen über den Kanal zu entrinnen. Mit der größeren Menge zog auch Mamosirus,3 der Befehlshaber, aus der Stadt. 11. Da nun die Burg auf diese Art erobert war, so suchten die Soldaten nach, was sich darinnen fände, und entdeckten einen unermeßlichen Vorrath an Getraide, mancherlei Waffen und Kriegsmaschinen, eine große Menge Geräthe und andere Dinge. 12. Der größte Theil des Getraides wurde S. 257 zur Unterhaltung des Heers zu Schiffe gebracht. Einen Theil aber vertheilten die Soldaten unter sich, außer dem Getraidemaaße, das sie gewöhnlich hatten. 13. Was von Waffen den Römern zum Kriege tauglich schien, theilte man unter dem Heere aus: was aber nur zum Persischen Gebrauche diente, den Römern aber nicht, wurde theils dem Feuer übergeben, theils verstattet, daß es in den Fluß geworfen und versenkt wurde. 14. Dadurch, daß eine so große, ja, nach Ktesiphon, die größte Stadt in Assyrien, die so sehr befestigt war, in zwei Tagen mit Gewalt eingenommen wurde, wuchs der Würde des Römischen Namens kein geringer Ruhm zu. 15. Auch hielt der Kaiser eine liebreiche Rede an das Heer, lobte es mit den gebührenden Worten, und beschenkte jeden Soldaten mit hundert Silbermünzen.
Andere. ↩
Ammian berechnet nur 2000, und diese Zahl ist darum fast wahrscheinlicher, weil die Besatzung, wenn sie stärker war, auch die Stadt vertheidigen konnte, und nicht nöthig gehabt hätte, sich ins Kastell zu ziehen. ↩
Ammian nennt ihn Mamersides, ein Name, der ein Persischer zu seyn scheint. ↩
