Achtzehntes Kapitel. Gainas bemächtigt sich Konstantinopels.
1. Als Arkadius dieses vernahm1, rief er den Eutropius zu sich, entsetzte ihn seiner Würde, S. 135 und entließ ihn wieder. 2. Eilends entwich nun dieser in die Kirche der Christen, die von der Zeit an2 das Recht einer Freistätte hatte. 3. Da aber Gainas öfters vorstellte, Tribigildus würde nicht nachlassen, bis Eutropius weggeräumt wäre, so riß man ihn, wider die den Kirchen gegebene Gerechtsame, aus der Freistätte heraus, und schickte ihn unter einer guten Wache nach Cypern. 4. Noch drang Gainas weiter auf den Tod des Eutropius, und diejenigen, die itzt den Staat verwalteten, deuteten den Eid, den man ihm beim Herausreissen3 aus der Kirche geschworen hatte, trüglich, lassen ihn aus Cypern kommen, schicken ihn, weil sie geschworen haben, ihn nicht in Konstantinopel zu tödten, nach Chalkedon, und bringen ihn da ums Leben4. 5. So hatte Eutropius ein von beiden Seiten außerordeutliches Schicksal, das ihn zuerst zu einer solchen Höhe erhub, als eine ein Eunuche erreicht hatte, und ihm dann durch den Haß, den die Feinde des Staats gegen ihn vorgaben, den Tod zuzog! 6. Ob nun gleich Gainas des Aufruhrs bei jedermann verdächtig S. 136 war, glaubte er doch noch, man wisse es nicht. Da er von den Gesinnungen des Tribigildus Herr, und an Macht und Ansehen überlegen war, so machte er nun, unter des letztern Namen, einen Vertrag mit dem Kaiser, leistete und nahm einen Eid, und kehrte durch Phrygien und Lydien zurück. 7. Tribigildus, der seine untergebene Völker führte, folgte ihm durch das obere Lydien, ohne Sardes, die Hauptstadt, zu sehen. 8. Bei Thyatira vereinigten sich beide, und nun reuete es den Tribigildus, daß er Sardes unversehrt gelassen hatte. Denn die Stadt, die von Besatzung entblößt war, einzunehmen, wäre leicht gewesen. Er beschloß also umzukehren mit dem Gainas, und die Stadt zu erobern, und wohl hätten sie ihren Entschluß ausgeführt, wäre nicht ein außerordentlicher Regen gefallen, der das Land überschwemmte, daß man über die Flüsse nicht gehen konnte, und der Angriff gehemmt wurde. 9. Nun trennten sie sich, und führten ihre Völker, Gainas nach Bithynien, und der andere nach dem Hellespont, und überließen, was ihnen vorkam, den nachfolgenden Barbaren zur Plünderung. 10. Und als der eine Chalkedon erreichte, der andere aber die Gegend von Lampsakus besetzte, so umschwebte Konstantinopel, ja den ganzen Römischen Staat, die äußerste Gefahr. 11. [J. 400.] Gainas bat den Kaiser, selbst zu ihm zu kommen. Denn er könne nur mit ihm sich5 S. 137 unterreden. 12. Der Kaiser gab nach, und es geschahe die Zusammenkunft an einem Orte bei Chalkedon, wo der heiligen6 Euphemia eine Kapelle erbaut war, die dieser Ehre wegen der Verehrung Christi gewürdigt wurde. 13. Nun wurde beschlossen, daß Gainas und Tribigildus nach Europa übersetzen, und ihnen die Vornehmsten des Staats zum Tode ausgeliefert werden sollten. 14. Es waren Aurelianus, dieses Jahr Konsul und Saturninus, schon unter die Konsuln gezählt, überdies Johannes, dem der Kaiser alle seine Geheimnisse anvertraut hatte, und den viele für den Vater des Sohns des Arkadius hielten. 15. Auch diese tyrannische Bitte erfüllte der Kaiser. 16. Gainas nahm die Ausgelieferten an, zuckte das Schwerd gegen sie, doch so, daß er nur ihren Körper berührte, und begnügte sich, sie mit der Verbannung zu strafen. Nun setzte er nach Thrakien über, befahl dem Tribigildus zu folgen, und verließ also Asien, das sich itzt wieder einigermaßen erhohlen konnte, und von der obschwebenden Gefahr befreiet wurde. 18. Während seines Aufenthalts in Konstantinopel zerstreuete er die unter ihm stehenden Soldaten dahin und dorthin, so daß er die Stadt von den Trabanten des Hofs selbst entblößte. Den Barbaren aber gab er heimlich Zeichen, mit dem Befehle, wenn sie ihn aus der Stadt ausziehen S. 138 sehen, diese, wenn sie aller Hülfe von den Soldaten beraubt wäre, geschwind zu überfallen, und alle Gewalt ihm zu übergeben.
Nicht zu vergessen, daß auch die Kaiserin dazu das ihrige beitrug. Eutropius hatte den Uebermuth gehabt, der Eudoxia zu drohen, er wolle sie aus dem Pallaste vertreiben. Nun fiel die Kaiserin, mit ihren zwei kleinen Töchtern, Flacella und Pulcheria, auf den Armen, dem Kaiser zu Füssen, und flehete ihn um Gerechtigkeit gegen den Minister. ↩
Nämlich seit der Zeit, da die Christen öffentliche Kirchen hatten. ↩
Hauptsächlich auf den Widerstand des Erzbischofs Chrysostomus zu Konstantinopel: es solle ihm nichts am Leben geschehen. Dieses legten die Sophisten nun so aus: nämlich in der Hauptstadt. ↩
Er wurde noch im Jahre seines Konsulats enthauptet. ↩
Ueber das Nöthige. ↩
Ὁσίας [hosias] ist wahrscheinlich von einem christlichen Abschreiber beigesezt worden. ↩
