Sechs und funfzigstes Kapitel.
S. 91 1. Die Meinungen der eingeschlossenen Palmyrener waren nun verschieden. Einige wollten für ihre Stadt das äußerste wagen, und den Römern den hartnäckigsten Widerstand leisten; andere reckten als Flehende ihre Hände von den Mauern empor, und baten wegen des Vorgefallenen um Verzeihung. 5. Diese ihre flehentlichen Bitten nahm der Kaiser auch gnädig an, und versprach Verzeihung. Worauf sie zur Stadt heraus strömten, und ihm Geschenke und Opfer darbrachten. 3. Den Opfern bewies Aurelianus seine Ehrerbietung, nahm die Geschenke an, und entließ die Einwohner unbeschädigt. 4. Im Besitze der Stadt, des darinnen befindlichen Reichthums, anderweitigen Vorraths und der Denkmale, kehrte er nach Emesa zurück, und zog die Zenobia nebst ihren Helfern vor Gericht.1 5. Die Fürstin entschuldigte sich damit, daß sie alles auf viele Andere schob, welche sie als ein Weib verleitet hätten. 6. Unter diesen war auch Longinus, dessen Schriften allen Liebhabern der Gelehrsamkeit von großem Nutzen sind. 7. Diesen verurtheilte der Kaiser sogleich, nachdem er der gegen ihn vorgebrachten Beschuldigungen überführt worden, zum Tode, den Longinus so S. 92 standhaft ertrug, daß wer seinen Unfall beklagte, dadurch sich getröstet fühlte.2 8. Auch noch andere, welche Zenobia angab, wurden am Leben gestraft.
Zenobia mußte von Aurelian nicht als unumschränkte Regentin, sondern als eine Anmaßerin betrachtet werden, welche wegen ihrer Hartnäckigkeit und ihres bekannten trotzigen Schreibens, strafbarer scheinen konnte. ↩
Longinus hatte Zenobien in der griechischen Litteratur unterrichtet. Vopiscus in Aurel. K. 30. giebt als Ursache, warum Aurelian ihn hinrichten lassen, das stolze Schreiben an, welches er im Name Zenobiens an den Kaiser aufgesezt hätte. Vopiscus hat es aufbehalten. Anmerk. des Cellarius H. Doch sagt Vopiscus: Zenobia selbst habe ihn diktiert, und L. nur dazu gerathen. S. ↩
