8.
Es vergleicht hinwieder unser Herr das Wort seines Lebens Samenkörnern.1 Und er zieht die Erde, die die Samenkörner aufnimmt, zum Vergleich heran darin, daß er sagt: „Siehe es ging ein Säemann aus, seine Samenkörner zu säen; und als er jene säte, gab es welches, das auf den Weg fiel, es wurde zertreten und die Vögel lasen es auf; und es gab welches, das auf Steiniges2 fiel: als es aufgesproßt war, verdorrte es sogleich, weil es keine S. 21 Feuchtigkeit unter3 seinen Wurzeln gab; und es gab welches, das inmitten von Dornen fiel: es wuchsen die Dornen und erstickten es; und es gab welches, das auf gutes Land fiel: es ging auf, wuchs und brachte Frucht“.4 Und bei seiner Erklärung des Wortes sagt er: „Das, was auf den Weg fiel, sind die, die das Wort hören und es kommt Satan [und] reißt das Wort aus ihrem Herzen. Und das, was auf den Felsen fiel, sind die, die, wenn sie das Wort hören, es mit Freude aufnehmen; aber weil sich für es keine Wurzeln darin befinden, glauben sie eine Zeitlang, und in den Zeiten der Versuchung verleugnen sie. Und das, was inmitten der Dornen fiel, sind die, die das Wort gehört haben, und [in] der Sorge der Welt und der Beschäftigung5 des Reichtums und in törichter Lust werden sie erstickt und bringen keine Frucht.6 Und das, was auf fetten Boden fiel, sind die, die mit reinem und lauterem Sinne das Wort der Wahrheit gehört haben und Frucht brachten“.7 Und er hat uns klargemacht und gezeigt, daß er die guten Menschen gutes, fettes Land genannt hat.
Hinwieder haben wir anderseits auch hier gefunden, daß er der Vollender einer Prophezeiung ist. Denn Jeremias der Prophet sagt: „So spricht der Herr Gott zum8 Hause der Juden und zu9 den Bewohnern Jerusalems: Wählet euch gutes und fettes Land aus und säet nicht auf Dornen. Heiligt euch vor dem Herrn und tut das Böse10 aus euren Herzen hinaus, du Haus Judas und Bewohner Jerusalems“.11 Und dieses Gleichnis, das unser Herr gesagt hat, daß [nur] gutes Land Frucht des Lebens gibt, hat vormals der Prophet vorher gesagt.12 Auch das [ist der Fall]: wo Dornen waren, leben auch, wenn der Bauer regsam ist13 [und] die Dornen sammelt, Saaten des Lebens; denn der Prophet S. 22 fürwahr hat gesagt, daß wir gutes und fettes Land sind und die Werke der Bosheit Dornen. Und dies noch müssen wir wissen, daß Dornen von keiner anderen Seite ihm14 werden, als von ihm und in ihm [selbst],15 wie das Altsein den Kleidern und Schläuchen; und das Unkraut des Landes kommt16 von keiner anderen Seite, als von Nachlässigkeit und Trägheit. So finden wir auch bei allen Bodenarten, die die Samen zugrunde richten, daß das von der Trägheit des Bauern herrührt. Denn die Saat,17 die auf den Weg gefallen war: nicht als ob das Erdreich selbst die Saat nicht lebendig zu machen vermöchte! Denn das Land, auf dem der Weg hart18 gestampft worden war, das ist selbst von Haus aus19 jedem [andern] Erdboden gleich; aber20 wegen des Darauftretens der Menge der Füße vorübergehender Menschen und Tiere wurden die Samen zertreten und gingen zugrunde. So auch wir: von unserer Natur aus sind wir gutes Erdreich,21 um die Samenkörner des Königreichs [des Himmels] aufzunehmen und die Frucht des Lebens zu geben; aber wenn wir unsere Herzen [preis-]geben, daß sie Durchgangswege für fremde Worte22 werden, alsdann werden die guten Samen zertreten, die in uns gesät sind.
(Und durch diese Gleichnisse der Natur und der Geschöpfe hat uns unser Herr gezeigt, daß wir immer innerhalb der Grenzen uns halten müssen, die Gott uns gesteckt hat),23 und alles, was darüber hinausgeht, tötet uns,24 wie auch der Samen zertreten wird, der auf dem Wege ist, jener, der hinausfallend auf die Erde S. 23 hinausfiel und dessen Frucht vernichtet25 wurde; oder es wird vielleicht jemand da sein, der glauben möchte, daß jener Weg nicht nur durch bereitetes Land26 vorbeiging und es schädigte. Wenn aber der Bauer regsam27 ist, arbeitet er bei Tage und wacht bei Nacht und schließt mit Hecken seine Saaten ein und rings um es28 gräbt er einen Graben, behütet es beständig29 vor fremden Hufen. Und es wird gute Frucht30 auf ihm in der Obhut des tatkräftigen31 und beständigen Bauern. Denn es weiß der Bauer, daß es nicht von anderer Seite Frucht des Lebens für ihn gibt, wenn nicht von jenen Saaten, die er gesät hat. So [wissen] auch wir, daß Leben von anderswo nicht herkommt, als aus jenem Samen, den wir aus dem Evangelium empfangen haben, wie in jeglichem die Propheten darüber bezeugen. Wir wollen unsere Ohren vor aufrührerischen Reden verschließen und unsere Herzen vor törichten, ungerechten Gedanken, und nicht sollen32 wir unsern Sinn zur Brücke für das Passieren aller törichten Reden machen, und dann leben wir.
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Saaten. ↩
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Felsen. ↩
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zwischen. ↩
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Lk 8,5 ff.; Mt 13,4 ff.; Mk 4,3 ff. ↩
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Zerstreuung. ↩
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Wörtlich: werden fruchtlos. ↩
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fruchttragend wurden. Lk 8,12 ff. (vgl. die Parallelstellen). ↩
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Das Armen. hat hier den Akkusativ, der sich nur sehr gezwungen dem Zusammenhange einfügen würde (könnte wohl nur von „wählet“ abhängig sein. [Mögliche sprachliche Ableitung; Verweise auf ähnliche Fälle]. ↩
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[Wie vorige Anmerkung.] ↩
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pl. ↩
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Jer 4,3 f. ↩
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(xxx) weist deutlich auf eine syr. Vorlage bin ((xxx)). Vgl. Nö 2 § 335. ↩
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aufpaßt. ↩
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Dem Lande. ↩
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Oder: als davon und darin? ↩
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wird. ↩
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Samenkörner. ↩
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fest. ↩
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von seiner Natur aus. ↩
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und. ↩
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Dieser ausgeprägt antignostische Gedanke kehrt immer und immer wieder, an die Erbsünde scheint der Verfasser gar nicht zu denken; die Frage nach dieser wird zur Zeit des Verfassers der theologischen Erörterung nicht unterworfen gewesen sein. Eine Grundlage für eine Erbsündenlehre bietet etwa der 2. Satz von p. 276, Abs. ↩
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Oder: Worte von Fremden. „Fremde“ = Ketzer, Andersgläubige. ↩
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Das Eingeklammerte ist nicht die Übersetzung des vorliegenden armenischen Textes, der, wie er dasteht, unmöglich richtig sein kann, ich wenigstens weiß damit nichts anzufangen. Wörtlich übertragen steht etwa da : Et semper bis parabolis naturae et creaturarum, quo (ubi) instituit nos Deus sistere. Die oben gebotene Übersetzung dürfte dem Zusammenhange entsprechend annähernd den Sinn des vom Schriftsteller Gewollten wiedergeben. ↩
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Wörtlicher: "und alle Überschreitungen und Hinzufügungen, die töten (spanen ist moderne Form für spananen) uns". ↩
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vereitelt. ↩
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Vgl. Fonck, Die Parabeln des Herrn (xxx) 76: "Solch ein Acker zeigt für gewöhnlich zunächst den einen oder andern kleinen Fußpfad, der quer hindurchläuft". Auch Ephräm (Moes. 126) nimmt einen durch das Feld laufenden Weg an. Mir will übrigens scheinen, als ob "nicht nur" nicht richtig sein könne, daß vielmehr oc (nicht) zu streichen sei. Vielleicht ist der Satz auch als Frage zu fassen. ↩
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fleißig, mutig. ↩
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nämlich das Land. ↩
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Wörtlich: Steht und behütet es". ↩
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Wörtlich: "Frucht der Güte". ↩
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regsamen. ↩
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wollen. ↩