10.
1. Als sie aufhörten, nahm ich von neuem das Wort zu folgender Darlegung: „Meine Freunde! Ist das alles, was ihr an uns tadelt, daß wir nicht nach dem Gesetz leben, daß wir weder gleich euren Vorfahren das Fleisch beschneiden, noch wie ihr den Sabbat halten? Oder ist auch unser Leben und unsere Moral bei euch verleumdet? Ich möchte nämlich fragen: Habt denn auch ihr von uns die Ansicht, daß wir wirklich Menschen essen, und daß wir nach Trinkgelagen die Lichter auslöschen, um unerlaubtem Umgang zu fröhnen?1 Oder verurteilt ihr uns nur gerade deswegen, weil wir diesen und jenen Lehren anhängen, nicht aber dem Glauben huldigen, der nach eurer Meinung der wahre ist?“
2. Tryphon entgegnete: „Darüber sind wir verblüfft. Das aber, wovon die Masse redet, verdient keinen Glauben; denn es widerspricht der menschlichen Natur. Ich weiß auch, daß eure Lehren, die im sogenannten Evangelium stehen, so erhaben und groß sind, daß, wie ich glaube, kein Mensch sie beobachten kann; mit Interesse habe ich sie nämlich gelesen. 3. Aber das können wir gar nicht begreifen, daß ihr, obwohl ihr gottesfürchtig sein wollt und an eine Bevorzugung vor der Mitwelt glaubt, dennoch euch in keiner Weise von ihr zurückzieht und nicht von den Heiden getrennt lebt, daß ihr weder die Feste noch die Sabbate haltet, auch die Beschneidung nicht habt, und daß ihr auf einen gekreuzigten Menschen eure Hoffnungen setzet und, trotzdem ihr Gottes Gebote nicht beobachtet, Gutes von ihm erwartet. Oder hast du nicht das Wort gelesen: ‚Jener soll ausgetilgt werden aus seinem Stamme, der nicht am achten Tage beschnitten S. 16 wird‘?2 Das Gebot bezieht sich aber ebenso auch auf die Fremden wie auf die angekauften Sklaven3. 4. Ihr verachtet nun ohne weiteres (mit dem Bundeszeichen) den Bund selbst4 und kümmert euch nicht um die Konsequenzen. Ohne das zu tun, was die Gottesfürchtigen tun, sucht ihr uns zu überreden, daß ihr Gott kennet. Sehr gerne wollen wir aber auch die damit im Zusammenhang stehenden Fragen untersuchen.“
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Über die den Christen gemachten Beschuldigungen vgl. Justin, I. Apol. 10,6; 23,2; 26,7; II. Apol. 12,1. ↩
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Vgl. Gen. 17,14 . ↩
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Vgl. Ebd. 17,12. ↩
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Statt ταύτης (τῆς διαθήκης) lese ich (αὐτῆς), weil es durch εὐθέως verlangt wird, und weil andernfalls der vorhergehende Text als lückenhaft erklärt werden müßte. TAY konnte leicht entstanden sein unter Einfluß des vorhergehenden TAI . ↩