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Oratio ad Graecos
27
Εἰ δὲ σὺ τῆς ἐκείνων ἀντέχῃ παιδείας, τί μοι δόξας αἱρουμένῳ δογμάτων ὧν θέλω διαμάχῃ; πῶς γὰρ οὐκ ἄτοπον τὸν μὲν λῃστὴν διὰ τὸ ἐπικατηγορούμενον ὄνομα μὴ κολάζειν πρὶν ἢ τἀληθὲς ἐπ' ἀκριβείᾳ καταμανθάνειν, ἡμᾶς δὲ προλήμματι λοιδορίας ἀνεξετάστως μεμισηκέναι; Διαγόρας Ἀθηναῖος ἦν, ἀλλὰ τοῦτον ἐξορχησάμενον τὰ παρ' Ἀθηναίοις μυστήρια τετιμωρήκατε καὶ τοῖς Φρυγίοις αὐτοῦ λόγοις ἐντυγχάνοντες ἡμᾶς
μεμισήκατε. Λέοντος κεκτημένοι τὰ ὑπομνήματα πρὸς τοὺς ἀφ' ἡμῶν ἐλέγχους δυσχεραίνετε· καὶ τὰς περὶ τῶν κατ' Αἴγυπτον θεῶν δόξας Ἀπίωνος ἔχοντες παρ' ἑαυτοῖς ὡς ἀθεωτάτους ἡμᾶς ἐκκηρύσσετε. τάφος τοῦ Ὀλυμπίου Διὸς καθ' ὑμᾶς δείκνυται κἂν <ψεύδεσθαί> τις τοὺς Κρῆτας λέγῃ. τῶν πολλῶν θεῶν ἡ ὁμήγυρις οὐδέν ἐστιν· κἂν ὁ καταφρονῶν αὐτῶν Ἐπίκουρος δᾳδουχῇ, τοὺς ἄρχοντας οὐδὲν πλέον <σέβω> τοῦ θεοῦ· κατάληψιν ἣν ἔχω περὶ τῶν ὅλων, ταύτην οὐκ ἀποκρύπτομαι. τί μοι συμβουλεύεις ψεύσασθαι τὴν πολιτείαν; τί δὲ λέγων θανάτου καταφρονεῖν, διὰ τέχνης φεύγειν αὐτὸν καταγγέλλεις; ἐγὼ μὲν οὐκ ἔχω καρδίαν ἐλάφου· τὰ δὲ τῶν ὑμετέρων λόγων ἐπιτηδεύματα κατὰ τὸν ἀμετροεπῆ Θερσίτην γίνεται. πῶς πεισθήσομαι τῷ λέγοντι μύδρον τὸν ἥλιον καὶ τὴν σελήνην γῆν; τὰ γὰρ τοιαῦτα λόγων ἐστὶν ἅμιλλα καὶ οὐκ ἀληθείας διακόσμησις. ἢ πῶς οὐκ ἠλίθιον πιθέσθαι τοῖς Ἡροδώρου βιβλίοις περὶ τοῦ καθ' Ἡρακλέα λόγου, γῆν ἄνω κηρύττουσιν κατεληλυθέναι τε ἀπ' αὐτῆς λέοντα τὸν ὑφ' Ἡρακλέους φονευθέντα; τί δ' ἂν ὠφελήσειε λέξις Ἀττικὴ καὶ φιλοσόφων σωρεία καὶ συλλογισμῶν πιθανότητες καὶ μέτρα γῆς καὶ ἄστρων θέσεις καὶ ἡλίου δρόμοι; τὸ γὰρ περὶ τοιαύτην ἀσχολεῖσθαι ζήτησιν νομοθετοῦντός ἐστιν ἔργον ἑαυτῷ τὰ δόγματα.
Übersetzung
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Rede an die Bekenner des Griechentums (BKV)
27.
(1) Wenn aber du dich für deinen Teil an die Unterweisung jener Schulmeister hältst, warum bestreitest du dann mir das gleiche Recht, Lehrmeinungen zu wählen, die mir gefallen1? Ist es denn nicht unsinnig, zwar den Räuber trotz des verdächtigen Namens, bevor noch der Tatbestand genau ermittelt ist, mit Strafe zu verschonen, uns aber auf Grund eines ungeprüften, von Schmähsucht eingegebenen Vorurteils mit Haß zu verfolgen2? (2) Diagoras war ein Götterleugner3: aber obwohl der Mann die atheniensischen Mysterien verhöhnte, haltet ihr ihn in Ehren, und während ihr auf seine Phrygischen Gespräche fliegt, habt ihr uns in Acht und Bann getan. (3) Ihr S. 238 besitzt die Denkschrift Leons4, aber Widerlegungen, die von uns kommen, wollt ihr nicht dulden. Ihr laßt die Ansichten Apions5 über die ägyptischen Götter bei euch gelten, aber uns verschreit ihr als die gottlosesten Menschen. (4) Ein Grab des olympischen Zeus zeigt man bei euch, mag auch mancher behaupten, die Kretenser seien Lügner6. (5) Mit der Schar der vielen Götter steht’s eben windig: aber mag auch der Götterverächter Epikur hier die Fackel vorantragen, so will ich doch denen, die nichts mehr von der Gottheit besitzen, gerade meine Erkenntnis des Weltalls nicht vorenthalten7. (6) Warum rätst du mir, meinen Lebenswandel zu verleugnen8? Warum behauptest du, den Tod zu verachten und gibst mir trotzdem den Ratschlag, durch einen Betrug ihm zu entfliehen? Ich habe wahrhaftig nicht das Herz eines Hasen9, aber euere Großsprecherei gleicht dem S. 239 zügellosen Geschrei des Thersites10. (7) Wie soll man einem glauben, der behauptet, die Sonne sei eine glühende Masse und der Mond ein Körper wie die Erde11? Das sind strittige Hypothesen und nicht erwiesene Tatsachen12. (8) Oder wie wäre es nicht abgeschmackt, den Büchern des Herodoros betreffs der Herakles Geschichte Glauben zu schenken, wenn sie von einer oberen Erde erzählen, aus welcher der Löwe herabgekommen sei, den Herakles getötet hat13? (9) Was nützen wohl der attische Stil, die Häufel- und Wahrscheinlichkeitsschlüsse der Philosophen, die Untersuchungen über die Maßverhältnisse der Erde, über die Stellung der Gestirne, über den Lauf der Sonne? Nichts! Denn für derlei „wissenschaftliche“ Betätigung paßt nur einer, dem seine subjektiven Meinungen als Gesetze gelten14.
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Vgl. Kap. XXIV 3. ↩
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Vgl. Tertull. apol. 2: „nominis proelium“; Plin. ad Trai. XCVI 2. ↩
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*Lies ἄθεος (oder ἀθεωτατος?), das in den Handschriften offenbar unter dem Einfluß des gleich folgenden Ἀθηναίοις zu Ἀθηναῖος verderbt worden ist. Denn Diagoras, der durch einen Volksbeschluß der Athener als „Gottesleugner“ aus der Stadt verwiesen wurde, war nicht aus Athen, sondern stammte aus Melos; sein Epitheton ἄθεος ist von heidnischen und christlichen Schriftstellern, besonders auch von den Apologeten wie Athenagoras Kap. IV reichlich bezeugt (s. Wellmann bei Pauly-Wissowa unter „Diagoras“, vgl. Geffcken ZgrA S. XVI und 169). Für τετιμωρήκατε hat schon Maranus richtig τετιμήκατε vermutet. ↩
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Der Euhemerist Leon von Pella, Schriftsteller und Priester aus der Zeit Alexanders d. Gr., auch von Clem. Alex. strom. I 322 D und Augustin. de civ. dei VIII 5 und 27 erwähnt. ↩
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Apion, alexandrinischer Grammatiker und Polyhistor, den Kaiser Tiberius sarkastisch cymbalum mundi nannte (Plin. n. h. praef. 25; vgl. Sen. ep. 88,34). Er schrieb ein umfangreiches Werk über ägyptische Geschichte und Kultur (FHG III 506-516), durch dessen Ausfälle gegen die Juden Josephus zu seiner Schrift contra Apionem veranlaßt wurde; vgl. unten Kap. XXXVIII 4. ↩
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Tatian will mit durchsichtiger Anspielung auf Kallimachos hymn. in Jov. 8 f. sagen: „Die Kretenser zeigen das Grab des Olympiers, aber mancher wird sich dabei wie Kallimachos denken, daß sie auf gut kretisch lügen“; vgl. Tit. 1,12 und Athenagoras c. XXX, s. Otto, Sprichwörter d. Röm. S. 98, n. 463. ↩
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*Lies τοὺς τοὺς ἄρχοντας οὐδὲν πλέον «σέβω» τοῦ θεοῦ ἔχοντας οὐδὲν πλέον τοῦ θεοῦ, s. TsgA S. 8 f. Mit der gewundenen Kritik der Stelle bei Puech, Recherches S. 143 f. kommt man nicht weiter; aber auch Geffckens Ablehnung meiner Emendation (TgrA. S. 109 f.) kann mich nicht beirren, da G.s eigene Interpretation neben der Ergänzung eines Verbs (σέβω nach Wilamowitz) zum mindesten auch die Änderung von τοῦ θεοῦ τῶν θεῶν erheischen würde. Zu οὐκ ἀποκρύπτομαι vgl. Kap. XLII 2. ↩
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Nach Tertullian. apol. 27 rieten Göttergläubige nicht selten den Christen, ihr Leben durch ein Opfer vor den Griechengöttern und dem Bildnis des Kaisers zu salvieren (vgl. zu Kap. IV 1); im Herzen könnten sie ja ihrer religiösen Überzeugung trotzdem treu bleiben. ↩
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Wörtlich: „einer Hirschkuh“, vgl. Hom. Il. I 225. ↩
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Hom. Il. II 212. ↩
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So Anaxagoras, vgl. Diog. Laert. II 3,4 und 9. ↩
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Vgl. Kap. XXXII 1. ↩
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Herodoros aus Herakleia am Pontos (FHG II pag. 27 sqq., fr. 9) fabulierte in seiner Heraklesgeschichte von einer μετέωρος, der Welt des Mondes, wo die Kinder 15mal so groß gerieten als auf unserer Erde; von jener ἄνω γῆ sei auch der ungeheure nemeische Löwe gekommen. ↩
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*Geffcken ZgrA. S. 110, Anm. 1 ironisiert ohne Grund diese Worte Tatians als eine „recht niedrige Selbsteinschätzung“ und übersieht dabei, daß der Apologet offenbar eine direkte oder indirekte Reminiszenz aus Aristoteles’ Nikomachischer Ehtik verallgemeinert, wo VII 5 p. 1146b, 30 (vgl. eth. magn. II 6 p. 1201 b,8) Heraklit zu denjenigen gezählt wird, denen „ihre Meinung ebenso fest stehe wie anderen die wahre Wissenschaft“; ἔνιοι πιστεύουσιν οὐδεν ἦττον οἷς δοξάζουσιν ἤ ἓτεροι οἷς ἐπίσταναι, δηλοῖ δ΄Ἡράκλειτος. ↩