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Œuvres Tatien le Syrien (120-173) Oratio ad Graecos

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Rede an die Bekenner des Griechentums (BKV)

26.

(1) Hört doch auf, mit fremden Worten zu prunken und euch wie die Dohlen mit gestohlenen Federn aufzuputzen. Wann einmal jede Stadt die von ihr erborgten Ausdrücke euch abnehmen sollte, dann wird’s mit eueren Sophismen gründlich aus sein1. (2) Ihr sucht zu ergründen, wer Gott sei, und kennt euer eigenes Wesen nicht; ihr gafft in den Himmel und fallt in Gruben2. Labyrinthen gleichen die Widersprüche3 in eueren Büchern und deren Leser dem Faß der Danaiden. (3) Was teilt ihr mir die Zeit ein, indem ihr sagt, ein Teil von ihr sei die Vergangenheit, der andere die Gegenwart, der dritte die Zukunft? Denn wie kann die Zukunft herankommen, wenn die Gegenwart ist 4? Wie etwa Leute, die auf einem Schiffe fahren, während der Bewegung desselben in ihrer Unerfahrenheit meinen, daß die Berge laufen, so erkennet auch ihr nicht, daß ihr selbst dahinfahrt, die Zeit aber stillsteht, solang es Dem gefällt, der sie geschaffen hat. (4) Warum muß ich denn Prügelknabe sein, wenn ich meine Lehren vorbringe, und warum seid ihr erpicht, alles, was von mir ist5, zu S. 236 vertilgen? Seid ihr denn nicht in derselben Weise wie wir geboren worden und teilt euch mit uns in diese Welt und ihre Einrichtung? Wie könnt ihr behaupten, allein bei euch sei die Weisheit, wenn ihr weder eine andere Sonne habt noch einen anderen Aufgang der Gestirne noch eine bessere Herkunft noch im Vergleiche mit den übrigen Menschen einen auserlesenen Tod6? (5) Mit dem Geschwätz bei euch haben die Schulmeister begonnen7 und da ihr die Wissenschaft einteiltet8, habt ihr euch von der wahren Wissenschaft abgeschnitten und die Teile nach Menschen9 zubenannt; denn da ihr Gott nicht kennt, so bekämpft und verurteilt ihr euch untereinander. (6) Und deshalb wißt10 ihr alle nichts: die Ausdrücke versteht ihr euch anzueignen11, redet aber miteinander wie der Blinde mit dem Tauben. (7) Was haltet ihr das Bauwerkzeug in den Händen und versteht doch nicht zu bauen? Was eignet ihr euch Worte an und seid doch fern von Taten12? Aufgeblasen im Glücke, im Unglück aber verzagt, braucht ihr wider alle Vernunft euere schönen Phrasen: öffentlich prunkt ihr mit ihnen, in den Winkeln aber versteckt ihr euere Lehren13. (8) Da wir euch von dieser Seite kennen S. 237 lernten, haben wir euch verlassen und wollen nichts mehr von dem Eurigen anrühren14, sondern dem Worte Gottes folgen. (9) [Mensch, wozu schaffst du denn eigentlich einen Krieg zwischen den Buchstaben? Warum läßt du die Laute sozusagen untereinander handgemein werden, indem du sie nach attischer Manier verschluckst, während es doch auf eine natürliche Aussprache ankommen sollte? Denn wenn du attisch sprichst, ohne ein Athener zu sein, dann sage mir doch, warum du nicht dorisch sprichst? Warum erscheint dir für die Konversation der eine Dialekt barbarisch, der andere anmutig15?]


  1. Vgl. unten § 6 und Kap. I 6. ↩

  2. Anspielung auf eine bekannte Anekdote (vgl. Diog. Laert. I 1,8; Tertull. ad nat. II 4,34; de an. VI 25), nach der Thales einst zu den Sternen schauend in eine Grube gefallen und darob von einer alten Frau verhöhnt worden sei: „Was am Himmel ist“, sagte sie, „hoffst du erforschen zu können, was aber vor deinen Füßen liegt, kannst du nicht sehen“ ( s. Helm, Lukian und Menipp S. 280). ↩

  3. *Lies ἀντιθέσεις ( vgl. Kap. III 9 und XXV 5) statt des unmöglichen ἀναθέσεις, das Puech, Recherches S. 141 Anm. 1, zu halten sucht. ↩

  4. Vgl. Euseb. de laud. Const. 6. ↩

  5. *Lies τὰ δ΄ἐμοῦ πάντα, vgl. Kap. XXIV 3, s. TsgA. S. 7 f. ↩

  6. Vgl. Kap XI 3. ↩

  7. Ähnliche Angriffe gegen die γραμματικοί bei Seneca ep. 88,39 und Sext. Empir. adv. gramm. 97. ↩

  8. wie ihr ja auch die zeit „einteiltet“ (s. oben §3), obwohl beide, Zeit und Wissenschaft unteilbar sind. ↩

  9. D.i. nach den Gründern eurer philosophischen Schulen statt nach Gott, der allein allweise ist. ↩

  10. *Lies ἴστε, s. TsgA. S. 30 ff. ↩

  11. Vgl. oben §1 und Kap. I 6. ↩

  12. Vgl. Kap. XIX 5. ↩

  13. *Am einfachsten erklärt sich die vielgeprüfte Stelle (s. Puech, Recherches S. 142, Anm. 3) wohl aus Kap. III 1 f., wo von Heraklit die Rede ist: „ihr macht es alle wie Heraklit“, meint Tatian, „öffentlich renommiert ihr mit eitlen Phrasen (wie: „ich bin mein eigener Lehrer gewesen“), eure Werke aber, die allein beweisen könnten, ob euer Selbstlob gerechtfertigt sei, die versteckt ihr aus Angst vor der Kritik wie Heraklit in unzugänglichen Winkeln“. Nach Athen. V 222a wurden übrigens die oben § 5 erwähnten Schulmeister, im besonderen die Aristarcheer, vom Volksmund „Winkelsummer“ (γωνοιβόμβυκες) verhöhnt. S. TsgA. S. 30 ff. ↩

  14. Vgl. Kap. I 7 und Hortensis fr. 32: weitere Literatur bei Hartlich, Exhortationum a Graecis Romainsque scriptarum historia et indoles, Leipzig 1889. ↩

  15. Vgl. Kap. I 4 f. ↩

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Address of Tatian to the Greeks

Chapter XXVI.--Ridicule of the Studies of the Greeks.

Cease to make a parade of sayings which you have derived from others, and to deck yourselves like the daw in borrowed plumes. If each state were to take away its contribution to your speech, your fallacies would lose their power. While inquiring what God is, you are ignorant of what is in yourselves; and, while staring all agape at the sky, you stumble into pitfalls. The reading of your books is like walking through a labyrinth, and their readers resemble the cask of the Danaïds. Why do you divide time, saying that one part is past, and another present, and another future? For how can the future be passing when the present exists? As those who are sailing imagine in their ignorance, as the ship is borne along, that the hills are in motion, so you do not know that it is you who are passing along, but that time (ho aion) remains present as long as the Creator wills it to exist. Why am I called to account for uttering my opinions, and why are you in such haste to put them all down? Were not you born in the same manner as ourselves, and placed under the same government of the world? Why say that wisdom is with you alone, who have not another sun, nor other risings of the stars, nor a more distinguished origin, nor a death preferable to that of other men? The grammarians have been the beginning of this idle talk; and you who parcel out wisdom are cut off from the wisdom that is according to truth, and assign the names of the several parts to particular men; and you know not God, but in your fierce contentions destroy one another. And on this account you are all nothing worth. While you arrogate to yourselves the sole right of discussion, you discourse like the blind man with the deaf. Why do you handle the builder's tools without knowing how to build? Why do you busy yourselves with words, while you keep aloof from deeds, puffed up with praise, but cast down by misfortunes? Your modes of acting are contrary to reason, for you make a pompous appearance in public, but hide your teaching in corners. Finding you to be such men as these, we have abandoned you, and no longer concern ourselves with your tenets, but follow the word of God. Why, O man, do you set the letters of the alphabet at war with one another? Why do you, as in a boxing match, make their sounds clash together with your mincing Attic way of speaking, whereas you ought to speak more according to nature? For if you adopt the Attic dialect though not an Athenian, pray why do you not speak like the Dorians? How is it that one appears to you more rugged, the other more pleasant for intercourse?

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