3.
Deswegen hat der Herr statt des Gebotes: Du sollst nicht ehebrechen, das: Du sollst nicht begehren gesetzt; statt des: Du sollst nicht töten, das: Du sollst nicht einmal zürnen; statt des Zehnten die Verteilung der gesamten Habe unter die Armen geboten und befohlen, nicht nur den Nächsten, sondern auch die Feinde zu lieben, nicht nur gute Geber und Verteiler zu sein, sondern freiwillige Geber gegen die, welche uns das Unsrige nehmen. „Nimmt dir nämlich jemand deinen Rock“, sagt er, „so laß ihm noch den Mantel; nimmt dir jemand das Deinige, so fordere es nicht zurück1 , und wie ihr wollt, daß euch die Menschen tun, tuet ihnen2 . Nicht sollen wir uns betrügen wie solche, die sich nicht wollen betrügen lassen, sondern sollen uns freuen, wie solche, die freiwillig schenken, indem wir mehr unsern guten Willen gegen den Nächsten zeigen, als der Notwendigkeit nachgeben. „Und wenn jemand dich zwingt“, sagt er, „zu tausend Schritten, gehe mit ihm andere zwei3 , damit du ihm nicht wie ein Sklave folgst, sondern ihm wie ein S. 360Freier vorangehest, indem du dich in allem für den Nächsten dienstbereit und nützlich erweisest, nicht auf ihre Bosheit schauend, sondern deine Güte vervollkommnend, dich anpassend deinem „Vater, der seine Sonne über Gute und Böse aufgehen läßt und regnen läßt über Gerechte und Ungerechte“4 . Das aber löst, wie wir gesagt haben, das Gesetz nicht auf, sondern erfüllt es und erweitert es in uns, sodaß man sagen könnte, unsern Herzen sei eine größere Wirksamkeit der Freiheit und vollere Unterwerfung und Ergebenheit gegen unsern Erlöser eingeprägt. Denn deswegen hat er uns nicht befreit, daß wir ihn verlassen — kann doch niemand außerhalb der Güter des Hauses die Speisen des Heils sich verdienen — sondern damit wir, die wir mehr Gnade erlangt haben, ihn auch mehr lieben. Je mehr wir aber ihn lieben werden, umso größeren Ruhm werden wir von ihm erlangen, wenn wir dereinst immer in der Anschauung des Vaters leben werden.