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Wenn also jemand die Schriften aufmerksam liest, so wird er in ihnen das Wort von Christus und die Vorbilder des Neuen Bundes finden. Das ist der im Acker, d. h. in dieser Welt, verborgene Schatz. Denn „der Acker ist die Welt“1 . Der in den Schriften verborgene S. 405Schatz aber ist Christus, da er durch die Vorbilder und Gleichnisse dargestellt wurde. Darum konnte man das über ihn als Mensch Ausgesagte nicht verstehen, bevor die völlige Erfüllung eingetreten war, d. h. die Ankunft Christi. Deshalb wurde zu dem Propheten Daniel gesagt: „Verschließ die Reden und versiegele das Buch bis zur Zeit der Erfüllung, bis daß viele lernen und die Erkenntnis erfüllt wird. Denn dann, wenn die Zerstreuung vollendet sein wird, werden sie dies alles erkennen“2 . Aber auch Jeremias sagt: „In den letzten Tagen werden sie dies einsehen“3 . Denn jede Prophezeiung enthält für die Menschen Rätsel und strittige Punkte, ehedenn sie in Erfüllung gegangen ist. Wenn aber die Zeit gekommen und das Prophezeite eingetreten ist, dann haben die Prophezeiungen eine klare und einleuchtende Auslegung. Und deshalb ist das von den Juden anerkannte Gesetz, auf die Gegenwart bezogen, einem Mythos ähnlich; denn sie haben nicht die Erklärung von dem allen, die da besteht in der Niederkunft des Sohnes Gottes aus dem Himmel. Wird es aber von den Christen betrachtet, dann ist es der in dem Acker verborgene Schatz, der sich für sie erst am Kreuze enthüllte und erschloß, indem er den Verstand der Menschen bereicherte, die Weisheit Gottes ihnen zeigte, seine Heilsordnung hinsichtlich des Menschen offenbarte, im voraus das Reich Christi darstellte, die Erbschaft auf das heilige Jerusalem verhieß und verkündete, daß so weit der Gott liebende Mensch vorschreiten wird, daß er Gott sieht und sein Wort hört. Und nach dem Hören seines Wortes wird er so sehr verherrlicht werden, daß die anderen in das Angesicht seiner Herrlichkeit nicht schauen können, wie von Daniel gesagt worden ist: „Die Erkennenden werden leuchten wie die Klarheit des Firmaments und vor vielen Gerechten wie die Sterne in Ewigkeit4 und immerdar“. Man lese also, wie gesagt, die Schriften, wie der Herr nach seiner Auferstehung von den Toten mit seinen Jüngern sich unterredete und ihnen aus den Schriften zeigte, daß „Christus leiden und S. 406in seine Herrlichkeit eingehen mußte, und daß in seinem Namen Vergebung der Sünden auf der ganzen Welt gepredigt werde“5 , so wird man ein vollkommener Schüler werden und „dem Hausvater ähnlich, der aus seinem Schatze Neues und Altes hervorbringt“6 .
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