12.
S. 241 1. Was ist es nun, was er als etwas Neues verkündigt, als etwas, das Gott allein zu eigen ist und allein Leben bewirkt, etwas, das den Früheren das Heil nicht gebracht hat? Wenn aber „die neue Schöpfung“,1 der Sohn Gottes, etwas Einzigartiges verkündet und lehrt, so kann seine Mahnung nicht das enthalten, was vor Augen liegt und was andere getan haben, sondern muß etwas anderes bedeuten, wofür jenes nur der sinnbildliche Ausdruck war, daß man nämlich seine Seele selbst und seine Gesinnung von den darinnen vorhandenen Leidenschaften reinigen und aus seinem Herzen alles, was darin keine Stätte haben darf,2 samt den Wurzeln ausrotten und entfernen soll. Denn dies zu lernen ist die richtige Aufgabe für die Gläubigen, dies zu lehren ist ein des Heilandes würdiger Unterricht. 2. Denn jene Männer alter Zeit verachteten zwar die äußeren Güter,3 verließen ihren Besitz und gaben ihn hin; die Leidenschaften ihrer Seele aber haben sie vielleicht noch gesteigert. Denn sie gerieten in Übermut und Hoffart und Eitelkeit und verachteten die anderen Menschen in dem Wahn, daß sie selbst etwas getan hätten, was eigentlich über die Kraft eines Menschen geht. 3. Wie sollte also der Heiland denen, die ewiges Leben erlangen wollen, etwas empfehlen, was dem Leben, das er verheißt4 Schaden und Verderben bringt? 4. Denn andererseits ist auch folgendes möglich: Es kann sich einer seines Besitzes entäußern und trotzdem die Begierde und das Verlangen nach Reichtum S. 242 festgewurzelt und wie einen Teil seines Lebens in sich tragen; und er kann auf die Möglichkeit verzichtet haben, seinen Reichtum zu verwenden, zugleich aber in seinem Mangel und in seinem Verlangen nach dem, was er verschleudert hat, doppelten Schmerz empfinden, einmal, weil ihm das fehlt, was ihm helfen könnte,5 sodann weil die Reue da ist über das, was er getan hat. 5. Denn es ist unmöglich und undenkbar, daß einer, dem es an dem fürs Leben Nötigen fehlt, nicht in seinem Denken niedergebeugt und von dem Höheren abgehalten wird, da sein Sinn immer darauf gerichtet ist, sich jenes auf irgendeine Weise oder irgendwoher zu verschaffen.
Vgl. Kol 1,15; 2Kor 5,17; Gal 6,15. Clemens verwendet hier den Ausdruck zur Bezeichnung dessen, der die neue Schöpfung bewirkt; ähnlich auch Protr. 114,3. ↩
Der griechische Ausdruck (xxx) ist stoischen Ursprungs und bezeichnet bei den Stoikern die äußeren Dinge und Umstände im Gegensatz zu dem, was in der Macht des Menschen liegt; vgl. z.B. Apiktet III 7,11.21; IV 12,15. Ähnlich gebraucht es auch Clemens; vgl. z.B. Strom. IV 94,3 ((xxx)); VII 78,3 ((xxx)). ↩
Vgl. unten 15,1. ↩
Vgl. z.B. Joh 10,28. ↩
Das Wort (xxx) bedeutet zunächst den Dienst der Matrosen, dann überhaupt jeden Dienst, jede Hilfe. ↩
