1.
„Es komme dein Reich1!“ Wenn „das Reich Gottes“ nach dem Wort unseres Herrn und Heilandes „nicht mit Aufsehen kommt“ und „man nicht sagen wird: siehe, hier ist es oder siehe dort“, sondern wenn „das Reich Gottes unter uns ist2“ - denn „das Wort ist sehr nahe in unserm Munde und in unserm Herzen3“ -, so betet offenbar, wer um das Kommen des Reiches Gottes betet, vernünftigerweise darum, dass das in ihm befindliche Reich Gottes emporwachsen und Frucht bringen4 und vollendet werden möge. Denn jeder Fromme wird von Gott regiert und gehorcht den geistigen Gesetzen Gottes5, indem er sich selbst gleichsam wie eine gut eingerichtete Stadt verwaltet. S. 87 Zugegen ist bei ihm der Vater, und mit dem Vater herrscht Christus in der vollkommenen Seele nach dem Schriftwort, das wir vor kurzem erwähnten6: „Wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm machen7.“ Und ich glaube, dass mit „Reich Gottes“ der selige Zustand des herrschenden Willens und die Ordnung der weisen Gedanken gemeint ist, mit „Christi Reich“ aber die zum Heil für die Hörer gesprochenen Worte und die vollbrachten Werke der Gerechtigkeit und der übrigen Tugenden; denn „Wort“ und „Gerechtigkeit“ ist der Sohn Gottes8. Jeder Sünder [aber] wird beherrscht von dem „Herrscher dieser Welt9“, da jeder Sünder „der gegenwärtigen bösen Welt“ zu eigen geworden ist und sich dem nicht anvertraut, „der sich selbst für uns Sünder dahingegeben hat, damit er uns befreie aus dieser gegenwärtigen bösen Welt“ und „befreie nach dem Willen Gottes, unseres Vaters10“ wie dies in dem Brief an die Galater ausgesprochen ist. Wer aber von „dem Herrscher dieser Welt“ infolge seiner vorsätzlich begangenen Sünden beherrscht wird, der wird auch von der Sünde (selbst) regiert. Deshalb befiehlt uns Paulus, „uns nicht mehr unterzuordnen der Sünde, die uns regieren will“, und zwar werden wir in diesen Worten dazu aufgefordert: „So regiere nun nicht die Sünde in unserm sterblichen Leibe, dass wir ihren Begierden untertan sind11.“
-
Matth. 6,10; Luk. 11,2. ↩
-
Vgl. Luk. 17,20f. ↩
-
Vgl. Deut. 30,14; Röm. 10,8-10. ↩
-
Vgl. Matth. 13,23; Mark. 4,20; Luk. 8,15. ↩
-
Vgl. Röm. 7,22 ↩
-
Vgl. oben c. XXIII 1. ↩
-
Joh. 14,23. Hinter ποισόμεθα Or. II 357,8 ist ein Punkt zu setzen, und die Klammer erst Z. 12 mit λόγος zu beginnen. ↩
-
Vgl. Joh. 1,1.14; 1 Kor. 1,30. ↩
-
Vgl. Ignat. ad Ephes. c. 19,1; 1 Kor. 2,6.8; 2 Kor. 4,4. ↩
-
Vgl. Gal. 1,4. ↩
-
Röm. 6,12. ↩