9.
Es lauten aber im Evangelium nach Johannes die Worte von der Vollmacht der Apostel, zu vergeben, so: „Empfanget den Heiligen Geist! Wenn ihr jemandem seine Sünden vergebt, so werden sie ihm vergeben; wenn ihr sie jemandem behaltet, dem sind sie behalten1.“ Wenn man diese Worte ohne genaue Prüfung verstehen wollte, so würde man vielleicht den Aposteln vorwerfen können, dass sie nicht allen vergeben, damit allen (bei Gott) vergeben würde, sondern „jemandem seine Sünden behalten“, so dass diese ihretwegen auch bei Gott behalten werden. Um nun die Vergebung der Sünden, welche den Menschen von Gott durch Menschen zuteil wird, zu verstehen, ist es nützlich, ein Beispiel von dem Gesetze zu entnehmen. Denen, die nach dem Gesetze Priester sind, ist es verboten, für einige Sünden ein Opfer darzubringen, dass den Menschen, für die das Opfer gebracht würde, die Vergehungen erlassen werden könnten. Und wenn auch der Priester die Vollmacht hat, für einige unfreiwillige oder [freiwillige] Vergehungen Opfer darzubringen, so bringt er doch wohl nicht auch, wo es sich um Ehebruch oder absichtlichen Mord oder eine andere schwerere Sünde handelt, „ein Brandopfer und Sündopfer“ dar2. So steht es also S. 118 auch bei den Aposteln und den ihnen Gleichgestellten: da sie Priester sind nach dem Vorbilde „des großen Hohenpriesters3“ und den Dienst Gottes kennen, so wissen sie, vom Geiste belehrt, für welche Vergehungen und wann und auf welche Weise man Opfer darbringen muß, und erkennen, für welche man dies nicht tun darf. Zum Beispiel wußte zwar der Priester Eli von den Sünden seiner Söhne Hophni und Phinehes, konnte ihnen aber nicht zur Vergebung ihrer Sünden verhelfen und erklärt, dass er sogar hieran verzweifeln müsse, indem er sagt: „Wenn ein Mensch wider einen Menschen sündigt, da wird man für ihn beten; wenn er aber wider den Herrn sündigt, wer wird dann für ihn beten4?“