11.
Wir müssen demnach beten, nicht dass wir nicht versucht werden möchten - denn das ist unmöglich -, sondern dass wir nicht in die Versuchung verstrickt werden, wie es denen ergeht, die, in ihr festgehalten, unterliegen. Da nun außerhalb des Herrengebets geschrieben steht: „[Betet1,] dass ihr nicht in Versuchung geratet2“, was nach dem Gesagten wohl deutlich sein kann, während wir in dem Herrengebete zu Gott dem Vater sprechen müssen: „Führe uns nicht in Versuchung3“: so ist es von Wichtigkeit, zu sehen, wie man es verstehen muß, dass Gott den, der nicht gebetet hat, oder den, der nicht erhört wird, „in die Versuchung“ S. 126 führt. Denn da in Versuchung hineingerät, wer ihr unterliegt, so ist es unpassend, anzunehmen, dass Gott jemanden „in Versuchung hineinführe“ und ihn gleichsam dem Unterliegen preisgebe. Derselbe Widerspruch entsteht auch, wenn man das Wort: „Betet, dass ihr nicht in Versuchung geratet4“, irgendwie erklären will. Denn wenn es etwas Schlimmeres ist, „in Versuchung zu fallen“, wovon befreit zu bleiben wir beten, wie ist es dann nicht ungereimt, zu denken, dass der gute Gott, der doch gar keine „bösen Früchte bringen“ kann5, jemanden in das Böse verstrickt?