20. Pflicht des Gehorsams von Seite der Gläubigen gegen die ihnen vorgesetzten Bischöfe.
Den guten Hirten soll der Laie ehren, lieben, fürchten als Herrn, Hausvater, Priester Gottes und Lehrer der Gottesfurcht. Denn wer ihn höret, höret Christum, und wer ihn verachtet, verachtet Christum, und wer Christum nicht aufnimmt, nimmt dessen Gott und Vater nicht auf. Er sagt nämlich: „Wer euch höret, der höret mich: und wer euch verachtet, der verachtet mich; wer aber mich verachtet, verachtet Den, der mich gesandt hat.”1 Deßgleichen soll der Bischof die Laien wie Kinder lieben, sie mit Liebeseifer wärmen und pflegen wie Eier, um Junge zu erhalten, oder wie Junge sie in die Arme schließen, um Vögel zu erhalten. Alle soll er ermahnen. Alle, welche Züchtigung verdienen, strafen, aber nicht mit Übermaß, sie mit Milde zur Belehrung führen, aber nicht zur Verzweiflung, sie ermahnen zur Umkehr und durch Belehrung und Zurechtweisung auf den rechten Weg führen. Was fest gemündet ist, das bewache der Bischof; das im Glauben Gefestigte bewahre er in Sicherheit. Das Volk weide er in Frieden. Das Schwankende stärke er, d. h. das durch Versuchung locker Gemachte bringe er wieder durch Ermahnung zur Festigkeit, was krank ist, heile er, d. h. die am Glauben Kränkelnden heile er durch Unterweisung; beängstigten Gemüthern thue er Einhalt, d. h. was in die Irre gegangen oder mit sich zerfallen, oder in Sünden bis zur Lähmung auf dem Wege geschwächt ist, bringe er durch tröstliche Ermahnungen, so viel als möglich, wieder in Ordnung. Den Sünder von der Missethat losmachend und ihm gute Hoffnung einflößend, bringe er ihn, sobald er innerlich zerknirscht ist, in die Kirche wieder und führe ihn der Heerde zurück. Die Ausgestoßenen weise er zurück, d. h. die zur Bestrafung der Sünde ausgestoßen wurden, damit sie nicht draußen verbleiben, S. 56 sondern aufgenommen und bekehrt gebe er sie der Heerde d. i. dem Volke der makellosen Kirche wieder zurück. Die Verlorenen suche er wieder auf, d. i. die wegen der Menge ihrer Sünden an der Hoffnung des Heils Verzweifelnden, damit sie nicht gänzlich verloren gehen. Jene, welche aus Trägheit und geistigem Stumpfsinn in Sündenschlaf geriethen und auf ihre Lebensweise nicht achten, welche von der eigenen Heerde sich weitab entfernten und den Wölfen zur Beute wurden, suche er auf, bringe sie durch Ermahnung zur Bekehrung, bestimme sie zur Wachsamkeit und flöße ihnen Hoffnung ein, damit diese nicht mit den Worten der Schrift ausrufen: „Unsere Missethaten und unsere Sünden liegen auf uns, und wir verschmachten unter ihnen; wie können wir leben?”2 Wenns also möglich wäre, so soll der Bischof das Vergehen zum seinigen machen und zum Sünder sprechen: Eile dich zu bekehren, und ich habe für dich den Tod übernommen, wie der Herr für mich und Alle gestorben ist. „Denn der gute Hirt gibt sein Leben für feine Schafe.”3 Der Bischof soll also wissen, daß Gott, der Barmherzige, den Sündern, welche Buße thun, mit einem Eide Vergebung versprochen hat. Wer aber gesündigt hat und die Botschaft Gottes von der Buße nicht kennt und seine Milde und Geduld nicht weiß und überdieß die hl. Schriften, welche Dies verkünden, nicht kennt, weil er von dir nicht unterrichtet worden, geht zu Grunde. Du aber als liebender Hirte und als eifriger Ernährer suche und zähle die Heerde; was vermißt wird, suche auf, wie der Herr Gott, unser guter Vater, welcher gesandt hat seinen eigenen Sohn, den guten Hirten und Heiland, unsern Lehrer Jesum, und ihm befahl, gehen zu lassen die neunundneunzig Schafe auf den Bergen und schleunig zu suchen das eine verloren gegangene und das wieder gefundene auf die Schulter zu nehmen, zur Heerde zu tragen und über den Fund des Verlorenen sich zu freuen. So sollst auch du ge- S. 57 horsam sein, o Bischof, suchend, was verloren, was abgeirrt, — auf den rechten Weg leitend, zurückrufend, was sich losgetrennt, denn du hast die Macht zurückzurufen und zu heilen, die zerknirschten Herzens sind. Durch dich spricht der Heiland zu dem, der an der Sünde krank darnieder liegt: „Deine Sünden sind dir vergeben.”4 „Dein Glaube hat dir geholfen. Geh' hin in Frieden.”5 Friede aber und ein ruhiger Hafen ist die Kirche Christi, an welche du die Sünder durch Ertheilung der Lossprechung als gesund und makellos zurückstellst, damit sie dann fester Hoffnung sich hingeben, nach Vollkommenheit trachten und in guten Werken sich abmühen, gleichwie ein erfahrener und mitleidiger Arzt Alle heilt, die an Krankheiten leiden; denn „nicht die Gesunden haben des Arztes nothwendig, sondern die Kranken.”6 Denn „gekommen ist der Menschensohn, zu suchen und zu retten, was verloren war.”7 Da du also Arzt bist in der Kirche des Herrn, so reiche Jedem der Kranken das entsprechende Arzneimittel; auf jegliche Weise mache gesund, heile und stelle die Geheilten der Kirche zurück. Weide die Heerde, aber nicht so, daß du mit Strenge und Gewalt über sie herrschest,8) sondern wie ein liebevoller Hirte, der die Lämmer in seinen Arm sammelt und auf seinen Schooß sie hebt.9