IV.
Wenn nun die Flüsse von Babylon, wie die Weisen sagen, die Ströme der Wollust sind, die die Seelen verheeren und verwirren — dann müssen die Weiden die weise Zucht bedeuten, an der wir die kindererzeugenden Instrumente aufhängen und in die Höhe ziehen; sonst beschweren sie unsern Geist und drücken ihn nieder, und wenn sie fortgerissen werden von den Bächen der Unenthaltsamkeit, dann stößt es sie den Würmern gleich in die modernde Fäulnis. Ja, als nützlichstes und hilfreichstes Mittel zum Erwerb der Unvergänglichkeit hat uns Gott die Jungfräulichkeit gegeben, hat sie als Bundesgenossin denen gesandt, die nach Sion begehren und verlangen; so meint es auch der Psalm. Nach Sion, d. h. nach herrlicher Liebe und Liebesgebot, denn „Sion“ heißt auf deutsch: „Gebot der S. 320 Höhenwacht“. In solcher Weise wollen wir auch das Folgende desgleichen analogisch auslegen. Was soll es also, wenn die Seelen rufen: Ihre Besieger hätten von ihnen verlangt, im fremden Land das Lied des Herrn zu singen? Das heißt doch ganz und gar: die Seelen erklären, das Evangelium sei ein heiliges Lied, ein Geheimnis-Lied und nur die Sünder und Ehebrecher sängen es dem Bösen vor. Denn die verraten die Satzungen, vollbringen den Willen der Bosheitsgeister und werfen das Heilige den Hunden vor und die Perlen vor die Schweine, gleichwie jene, von denen der Prophet grollend spricht: „Und sie lasen das Gesetz draußen vor“1. Deswegen nun, weil die Juden vor den Toren Jerusalems oder außerhalb ihrer Häuser das Gesetz vorlasen, deswegen trifft sie doch nicht die harte Anklage des Propheten, deswegen heißt er sie nicht öffentlich schuldig des Gerichtes — sondern weil sie die Satzungen übertraten und Gott lästerten, dem Äußern nach, ei ja! wie fromme Leute die Gebote lasen, in ihrem Herzen sie aber nicht gläubig hinnahmen.und bewahrten, sondern sie ausspuckten und durch ihre Werke verleugneten. Darum singen sie das Lied des Herrn im fremden Lande, ziehen es ins Niedrige herab und erklären es so, erwarten eine sichtbare Königsherrschaft und gründen ihre Hoffnung auf diese fremde Erde, von der das Wort steht, sie werde untergehen; da locken die Besieger, und Lust ist ihr Köder und lauern auf die Getäuschten.
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Am. 4,5. ↩