IV.
Und ihr sollt nehmen am ersten Tage reife Baumfrucht und Palmenschmuck — damit weist er hin auf die Übung in den göttlichen Lehren, dadurch die Seele Siegerin wird über die Leidenschaften und sich von Grund aus reinigt und schmückt; da werden die Sünden wie Kehricht aus ihr hinausgeworfen. Denn zum Feste muß man rein kommen und im Schmucke; aber das soll das Mittel zum Schmücken sein: eifrig mühen soll man sich mit allen Übungen der Tugend; denn durch zähe Übung aller Art wird der Geist rein von der Schicht unpassender Gedanken, die auf ihm lagert — nun erst werden seine Augen scharf zur Schau der Wahrheit; hat doch auch die Witwe im Evangelium ihren Quadrans erst wieder gefunden, nachdem sie das Haus ausgekehrt und den Unrat hinaus geschafft hatte, d. h. die Leidenschaften, die unsere Seele verfinstern und verdecken, deren Zahl so groß geworden ist durch unsere Weichlichkeit und Sorglosigkeit. Also wer zum Feste jener Zelte kommen will und wer unter die Heiligen gezählt werden will, der muß sich zuerst die reife Frucht, den Glauben, verschaffen, dann den Schmuck, nämlich die allseitige Übung in den Schriften, dann auch die üppigen und dichten Zweige der Liebe, die er S. 375 uns noch zum Schmuck hinzu nehmen heißt, dichte Zweige, damit spricht er überaus zutreffend von der Liebe; denn das Dichte ist ganz fruchtbar und reich, da findet man nichts Kahles und Hohles, sondern alles prangt in Fülle, von den Sprossen bis zum Wurzelstock. Und so ist nun die Liebe, ohne alles Leere und Unfruchtbare. Er sagt ja: „Wenn ich meinen Besitz verkaufte und den Armen gäbe, und wenn ich meinen Leib dem Feuer überliefere, und wenn ich einen Glauben hätte so groß, daß ich Berge versetzen könnte, hätte aber die Liebe nicht, so wäre ich nichts“1. Die Liebe ist also der ganz fruchtbare und dichteste Baum, dem keiner gleichkommt, strotzend in der Fülle der Gnaden. Und dann, was will er sonst noch mitgenommen wissen? Die Weidenzweige, heißt es, und Weidenzweige nennt er die Gerechtigkeit; ein Gegenstück zu der Prophetenstelle, wo die Gerechten wie Gras inmitten des Wassers sprossen und wie Weiden am fließenden Bach; ihr Sprossen kommt aber vom Worte. Und zu all dem heißt er uns noch Zweige vom Agnosbaum holen und damit das Zelt schmücken. Denn der Agnosbaum enthält ja den Namen der ἁγνεία, der Reinheit: Mit diesem Baum soll das schon Genannte geschmückt werden. Ducken sollen sich nun die Unzüchtigen, die durch ihre Wollust die Reinheit von sich stoßen! Denn wie sollen sie zum Christusfeste eingehen, wenn sie ihr Zelt nicht schmücken mit den Zweigen der Reinheit, mit dem vergottenden, seligen Baum! Damit müssen alle, die zu jenem hochzeitlichen Feste eilen, sich gürten und ihre Lenden beschatten. Wohlauf, ihr jungfräulich Schönen, schaut in die Schrift selbst und ihre Gebote und ihr werdet finden, wie der Logos gleichsam zur Vervollkommnung der vorausgehenden Tugenden die Reinheit annimmt und von ihr sagt, sie sei in der Auferstehung herrlich und dreimal geliebt; ohne sie werde keiner der Verheißungen teilhaftig. Diesen Baum pflegen wir ganz besonders, die wir jungfräulich leben, wir opfern ihn dem Herrn; aber auch die haben ihn, die mit ihren Gattinnen rein leben, gleichsam am S. 376 Wurzelstock der Reinheit tragen sie Zweige, denen die weise Zucht entsprießt, wenn sie auch an den Wipfel nicht reichen und an der Reinheit große Zweige nicht rühren können wie wir: dennoch, wenn sie auch klein sind, es sind doch Zweige der Reinheit, die auch sie dem Herrn darbringen. Die Liebesgierigen aber, wenn sie gleich nicht Hurerei treiben, aber doch unablässig unter den Reizen der Vermischung mit ihrer einzigen und rechtmäßigen Gemahlin stehen, wie sollen die das Fest mitfeiern? Wie sollen sie die Freude teilen, wenn sie doch ihr Zelt, ihr Fleisch, nicht geschmückt haben mit den Agnoszweigen, wenn sie nicht gehört haben auf das Wort: „Daß auch die, die Weiber haben, seien, gleich als hätten sie keine“2.