56.
Denn wenn er nach ihrer Ansicht, wonach also die Substanz des Wortes geschaffen wäre, als Geschöpf sagt: „Der Herr schuf mich“, dann wurde er nicht unsertwegen geschaffen. Wenn er aber nicht unsertwegen geschaffen wurde, dann wurden wir nicht in ihm geschaffen. Wenn wir aber nicht in ihm geschaffen wurden, dann hatten wir ihn nicht in uns, sondern wir hatten ihn von außen, wenn wir ja von ihm den Unterricht wie von einem Lehrer empfangen haben. Wenn es aber mit uns so steht, dann herrscht nichtsdestoweniger die Sünde wieder über das Fleisch, verbleibt in ihm und ließ sich aus ihm nicht vertreiben. Doch der Apostel entgegnet diesen, wenn er kurz zuvor sagt: „Sein Werk sind wir, geschaffen in Christus Jesus“1, Wenn wir aber in Christus geschaffen sind, dann ist füglich nicht S. 198 Er der Geschaffene, sondern wir sind es, die in ihm geschaffen werden, und unsertwegen steht der Ausdruck da: „Er schuf“. Denn wegen unseres Bedürfnisses ließ sich das Wort, wenngleich Schöpfer, die Bezeichnung für die geschaffenen Wesen gefallen, und sie gilt nicht dem Wort als solchem, sondern auf uns, die wir in ihm geschaffen werden, bezieht sich der Ausdruck „er schuf“. Wie auch das Wort immer ist, da der Vater immer existiert, und als immerwährendes sagt: „Ich war es, woran er sich erfreute, und Tag um Tag war ich in Entzücken vor seinem Angesicht“2, und: „Ich im Vater und der Vater in mir“3, ebenso drückt es sich, weil unseres Bedürfnisses wegen Mensch geworden, folgerichtig auch bezüglich dessen, was uns eigen ist, aus wie wir: „Der Herr schuf mich“, damit durch seine Einwohnung im Fleische die Sünde aus dem Fleische völlig verdrängt würde und wir den Geist frei bekämen. Was anders hätte es, Mensch geworden, sagen sollen? Im Anfang war ich Mensch? Doch dies hätte ja auf ihn nicht gepaßt, noch auch wäre es wahr gewesen. Wie aber solche Rede sich nicht geziemt hätte, so traut und eigen hört es sich bei einem Menschen an: „Er schuf“ und: „Er machte ihn“. Deshalb ist ja auch der Grund für das „er schuf“ beigefügt, nämlich das Bedürfnis der Werke; wo aber die Ursache beigefügt ist, da hellt jedenfalls die Ursache selbst die Stelle deutlich auf. Denn auch hier gibt er in dem „er schuf“ die Werke als den Grund an. Wenn er aber die Geburt aus dem Vater absolut aussprach, fügte er alsbald hinzu: „Vor allen Hügeln zeugte er mich“4. Er fügte damit nicht das Warum hinzu, wie bei dem Ausdruck „er schuf mich“ in den Worten „für die Werke“, sondern er sagte absolut: „Er zeugte mich“, wie: „Im Anfang war das Wort“. Wenn auch die Werke nicht geschaffen waren, so war doch das Wort Gottes und Gott war das Wort. Was aber seine Menschwerdung betrifft, so wäre diese nicht eingetreten, wenn nicht das S. 199 Bedürfnis der Menschen sie veranlaßt hätte. Es ist also der Sohn kein Geschöpf; denn wäre er ein Geschöpf, dann hätte er nicht gesagt: „Er zeugt mich“. Die Geschöpfe sind ja äußerliche Werke des Schaffenden. Die Zeugung aber stammt nicht wie ein Werk von außen, sondern vom Vater als etwas seiner Substanz eigenes. Deshalb sind die ersteren Geschöpfe, das Wort Gottes aber ist eingeborener Sohn.