46.
Und im Gleichnis von den Jungfrauen hat er wieder, und zwar noch deutlicher gezeigt, wer die sind, die den Tag und die Stunde nicht wissen, indem er sagte: „Wachet also, weil ihr den Tag nicht wißt noch die Stunde“1 . Er, der kurz zuvor sagte: „Niemand weiß, auch der Sohn nicht“, sprach hier nicht: „Ich weiß nicht“, sondern: „Ihr wißt nicht“. So sagte er dann damals, als die Jünger nach dem Ende fragten, mit Recht wegen des Leibes nach Art des Fleisches: „auch der Sohn nicht“, um zu zeigen, daß er als Mensch nicht weiß; denn Menschen ist das Nichtwissen eigen. Wenn er aber Wort ist und selbst es ist, der kommt, selbst Richter und selbst der Bräutigam ist, so weiß er, S. 304 wann und zu welcher Stunde er kommt, und wann er sagen will: „Wach auf, der du schläfst und steh auf von den Toten, und Christus wird dich erleuchten“2. Denn wie er Mensch geworden, mit den Menschen hungert, dürstet und leidet, so weiß er nicht als Mensch mit den Menschen, in der Gottheit aber, als Wort und Weisheit im Vater, weiß er und es gibt nichts, das er nicht wüßte. So fragt er auch bezüglich des Lazarus wieder als Mensch, da er sich aufmachte, ihn zu erwecken, und da er wußte, von wannen er seine Seele zurückrufen würde. Es heißt aber mehr zu wissen, wo die Seele war, als zu wissen, wo der Körper lag. Doch er fragte nach Menschenart, um wie Gott zu erwecken. So fragt er auch die Jünger, als er in die Gegend von Cäsarea kam, obschon er informiert war, noch ehe die Antwort des Petrus erfolgte. Denn wenn der Vater dem Petrus das offenbarte, wonach der Herr fragte, so ist doch sicher die Offenbarung durch den Sohn erfolgt. „Denn niemand“, sagt er, „kennt den Sohn als nur der Vater und den Vater als nur der Sohn und wem es der Sohn offenbaren will“3. Wenn aber durch den Sohn die Kenntnis vom Vater und Sohne geoffenbart wird, so steht es außer Zweifel, daß der Herr selbst, der fragt und zuvor dem Petrus die Offenbarung vom Vater mitgeteilt hat, später nach Menschenart fragte, um auch dadurch zu zeigen, daß er nach Art des Fleisches fragte, als Gott aber wußte, was Petrus sagen würde. Es weiß also der Sohn, der alles und seinen Vater kennt, in einer Weise, daß diese Kenntnis an Größe und Tiefe und Vollkommenheit ihresgleichen nicht hat.