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Auch die Lufterscheinungen hängen mit dem Mondwechsel zusammen, wie uns oft die beim Neumonde nach großer Ruhe und Windstille plötzlich eintretenden Stürme bezeugen, wenn die Wolken gejagt und durcheinandergewirbelt werden. Und es zeugen dafür auch die Ebbe- und Flutbewegungen in den Meerengen wie auch die Ebbe im sogenannten Ozean, die nach den Beobachtungen der Anwohner nach den Mondwechseln sich richten. Die Meerengen strömen bei allen (übrigen) Phasen des Mondes nach beiden Seiten zurück, nur zur Zeit des Neumondes sind sie keinen Augenblick ruhig, sondern wogen und toben in einem fort, bis er wieder erscheint und die Ebbe wieder in Gang bringt. Das westliche Meer1 aber hat seine Ebbe- und Flutbewegungen, indem es bald zurückweicht, bald überströmt, wie wenn es durch das Einatmen des Mondes zurückgezogen, durch dessen Ausatmen wieder an seinen angewiesenen Raum vorgetrieben würde. - Dies habe ich gesagt zum Erweis der Größe der Lichter und zur Bestätigung dessen, daß von den göttlich inspirierten Worten auch keine Silbe überflüssig ist; und doch hat unsere Rede von der Hauptsache fast noch nichts berührt. Über die Größe und die Entfernungen von Sonne und Mond läßt sich auch vieles auf dem Wege der Schlußfolgerung finden, wenn man nicht bloß oberflächlich deren Wirkungen und Kräfte ins Auge faßt. Offenherzig müssen wir uns unserer Schwäche anklagen, auf daß man nicht die größten Schöpfungen an unsern Worten bemißt, sondern aus dem wenigen Gesagten von selbst den Schluß zieht, wie viel Großes und Herrliches wir übergangen haben. So miß also auch den Mond nicht mit dem Auge, sondern mit dem Verstand, der viel verlässiger ist in der Erforschung der Wahrheit als das Auge.
S. 108 Es sind gewisse lächerliche Fabeln, von alten, trunkenen Weibern albern ersonnen, überall im Umlauf, daß man nämlich den Mond mit gewissen Beschwörungen aus seiner natürlichen Stellung bringen und auf die Erde herabziehen könnte2. Wie sollen aber Zauberformeln von Gauklern den verrücken können, den der Höchste selbst festgegründet hat? Welcher Raum hätte auch den Herabgezogenen aufnehmen können?
Willst du einen Beweis für seine ungeheure Größe kleinen Tatsachen entnehmen? Alle Städte unseres Erdkreises, mögen sie noch so weit auseinanderliegen, erhalten in ihren ostwärts gelegenen Vierteln das Mondlicht in gleicher Weise. Stünde er nicht ihnen allen vis-a-vis gegenüber, so würde er die ihm direkt zugekehrten Gassen vollkommen erleuchten, auf die aber, welche über seine Breite hinausliegen, würde er seine Strahlen schräg und von der Seite her fallen lassen. Man kann ja das auch bei den Lampen in den Wohnungen beobachten. Wenn mehrere das Licht umstehen, dann fällt der Schatten des direkt vor ihm Stehenden auch geradeaus, während die übrigen Schatten nach beiden Seiten hinneigen. Wäre also der Mondkörper nicht unermeßlich und außerordentlich groß, dann könnte er nicht gleichmäßig nach allen Seiten hin sein Licht verbreiten. Denn wenn der Mond in der Gegend der Tag- und Nachtgleiche aufgeht, dann genießen ihn gleichmäßig sowohl die Bewohner der kalten Zone, die unter dem Wagen des Bären liegen, als auch die, welche im Schoße des Südens der heißen Zone nahe sind. All diesen kehrt er nämlich seine ganze Breite zu - der deutlichste Beweis für seine Größe. Wer will also bestreiten, daß sein Körper ungeheuer groß ist, wo er doch auf so viele und so große Entfernungen sich gleich bleibt? Soviel über die Größe von Sonne und Mond.
Der aber, der uns die Einsicht verliehen, aus den kleinsten Geschöpfen die große Weisheit des Schöpfers zu erkennen, er möge uns auch aus den großen Werken noch größere Gedanken über den Schöpfer fassen lassen. Im Vergleiche mit dem Schöpfer nehmen sich ja freilich S. 109 Sonne und Mond aus wie Mücke und Ameise. Es ist ja nicht möglich, aus all dem eine entsprechende Vorstellung von der Größe des Gottes des Universums zu bekommen; wir gelangen durch sie nur zu winzigen, armseligen Spiegelbildern, wie ähnlich auch an der Hand jedes kleinsten Wesens aus Fauna oder Flora. Begnügen wir uns mit dem Gesagten!
Ich danke dem, der mich zu diesem kleinen Dienst am Worte berufen hat; ihr aber sollt dem danken, der euch mit geistiger Speise nährt, der auch jetzt wieder euch mit der geringen Gabe unseres Vortrages wie mit einem Gerstenbrote gespeist hat. Möge er euch immer speisen und nach dem Maß des Glaubens euch die Offenbarung des Geistes3 geben in Christus Jesus, unserm Herrn, dem Ehre und Macht in alle Ewigkeit. Amen.