3.
Überhaupt müssen wir, die wir uns zur Frömmigkeit bilden, uns dessen enthalten, was Die zu genießen begehren, welche nach der Sinnlichkeit leben. Indessen besteht die Übung der Enthaltsamkeit nicht allein in der Enthaltung von dem Vergnügen an Essen und Trinken, sondern sie erstreckt sich auf Alles, was einem Gott wohlgefälligen Leben hinderlich ist. Wer daher vollkommen enthaltsam ist, der wird seinen Bauch beherrschen, sich aber nicht vom Ehrgeize beherrschen lassen, der wird die schändliche Begierde überwinden, nicht aber auch den Reichthum oder eine andere unedle Neigung, wie Traurigkeit oder was sonst noch ununterrichtete Seelen zu unterjochen pflegt. Denn was wir fast bei allen Geboten sehen, daß sie nämlich innig zusammenhängen und keines ohne das andere erfüllt werden kann. Das sieht man ganz vorzüglich bei der Enthaltsamkeit. Denn wer demüthig ist, ist auch nicht ehrsüchtig, und wer keinen Reichthum begehrt, erfüllt, was die evangelische Armuth fordert, und wer sanftmüthig ist, beherrscht Heftigkeit und Zorn. Ausserdem gibt die vollkommene Enthaltsamkeit S. 92 der Zunge Maß, den Augen Grenzen, den Ohren Schranken. Wer sich nicht an diesen Dingen hält, ist unenthaltsam und zügellos. Du siehst, wie sich an dieses eine Gebot alle die übrigen wie beim Kettentanze anreihen.