2.
Allein es erreichte uns wieder ein anderes Gerücht, daß Du in Antiochien Dich aufhältst und die laufenden Geschäfte mit den hohen Behörden erledigst. Außer diesem Gerücht hörten wir aber auch, daß die Brüder von der Partei des Paulinus mit Deiner Exzellenz in Unterhandlung stehen bezüglich einer Einigung mit uns. Unter „uns” verstehe ich den Anhang des Mannes Gottes, des Bischofs Meletius. Von jenen höre ich, daß sie jetzt Briefe von den Abendländern S. 243 kolportieren, die ihnen die Aufsicht über die Kirche von Antiochien übertragen, indes sie den höchst achtungswerten Bischof der wahren Kirche Gottes, Meletius, in ein falsches Licht setzen1. Und ich wundere mich darob nicht. Denn die einen2 kennen unsere Verhältnisse überhaupt nicht, und die andern scheinbar Eingeweihten schildern sie ihnen mehr parteiisch denn wahrheitsgemäß. Übrigens ist es gar nicht unwahrscheinlich, daß sie entweder die Wahrheit nicht kennen oder auch die Ursache verhehlen wollen, die den seligsten Bischof Athanasius zu einem Schreiben an Paulinus veranlaßte. Weil aber Deine Vollkommenheit daselbst Leute hat, die genau erzählen können, was unter der Regierung des Jovinian zwischen den Bischöfen3 verhandelt wurde, so bitten wir, Dir von ihnen restlose Aufklärung geben zu lassen. Indes, da wir niemand anklagen, vielmehr allen gegenüber die Liebe walten lassen wollen, zumal Glaubensgenossen gegenüber4, so freuen wir uns mit denen, die von Rom Briefe empfangen haben. Und wenn sie auch ein rühmliches und lautes Zeugnis für sie enthalten, so wünschen wir, es möge wahr sein und durch ihre Werke eine Bestätigung erlangen. Gleichwohl können wir bloß um deswillen uns nie entschließen, den Meletius zu ignorieren oder die von ihm geleitete Kirche zu vergessen, oder die Fragen, die im Anfange zur Spaltung führten, gering zu werten oder ihnen nur eine mäßige Bedeutung für das Glaubensleben beizumessen. Denn mag einer irgendwie einen Brief von Menschen erhalten haben und darauf stolz sein, ich werde um deswillen niemals von meinem Standpunkt mich abbringen lassen; und wenn S. 244 auch der Brief gar vom Himmel käme, aber nicht die gesunde Lehre des Glaubens enthielte, ich könnte den Empfänger nicht zur Gemeinschaft der Heiligen rechnen.
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Über die Spaltung in Antiochien vgl. Theodoret, Kirchengeschichte. Buch III c. 2. — Unter den Briefen sind die zwei des Papstes Damasus an Paulinus gemeint (vgl. J. Schäfer. Basilius d. Gr. Beziehungen zum Abendlande (Münster 1909), S. 8 ff.), in denen des Meletius wenig rühmlich als eines „von Kirche zu Kirche wandernden Bischofs” gedacht wild (Theodoret K.G. V, 11). Vgl. J. Schäfer a. a. O. S. 83 ff. ↩
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Die Abendländer. ↩
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Gemeint sind die Bischöfe Athanasius und Meletius. Näheres darüber in Brief Nr. 258 (Mauriner-Ausgabe) c. 3. ↩
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Vgl. Gal. 6, 10. ↩