6.
Denn wenn sie auch in der irrtümlichen Meinung, ich teilte die Ansicht der Verfasser jener sabellianischen Aussprüche, mit denen sie jetzt hausieren gehen, zur Verleumdung meiner Person gekommen wären, so verdienten sie auch so noch keine Verzeihung, weil sie, noch ehe sie beweiskräftiges Material hatten, ohne weiteres mit Schmähungen die bewarfen und verwundeten, die sie gar nicht beleidigt hatten, um nicht zu sagen, die gar durch die innigste Freundschaft mit ihnen verbunden waren, und weil es ein Beweis ist, daß diejenigen nicht vom Hl. Geiste geleitet werden, die falschen Verdacht in ihrer Brust hegen. Denn wer die Freundschaft mit seinem Bruder brechen will, muß lange sich überlegen, viele schlaflose Nächte haben und mit vielen Tränen Gott um die Wahrheit bitten. Wenn schon die Richter dieser Welt bei einem zu fällenden Todesurteil über einen Missetäter die Vorhänge zurückziehen1 und die erfahrensten Männer zur Untersuchung des schwebenden Falles berufen und viele Zeit aufwenden und bald in Hinsicht auf die Strenge des Gesetzes, bald voll Ehrfurcht vor der allen gemeinsamen Natur unter vielem Seufzen die Notwendigkeit beklagen — für alle ersichtlich, daß sie aus Zwang dem Gesetze gehorchen und nicht aus persönlicher Lust das Todesurteil fällen —, um wieviel mehr muß derjenige mit Fleiß und Sorgfalt und unter dem Beirat mehrerer vorgehen, der willens ist, die Freundschaft mit Brüdern zu brechen, die in langer Zeit gefestigt worden ist? Aber ein einziger Brief, und zudem noch ein zweifelhafter! Denn sie können doch nicht behaupten, ihn an den Zügen der Unterschrift erkannt S. 266 zu haben, da sie ja nicht das Original, sondern nur die Abschrift in die Hand bekamen. Aus einem einzigen Schreiben also, und zwar aus einem alten! Es sind ja jetzt zwanzig Jahre her, seitdem an jenen Mann2 geschrieben wurde. Für die Zwischenzeit aber weiß ich keinen so verlässigen Zeugen meiner Gesinnung und meines Wandels, wie diejenigen, die jetzt als Ankläger wider mich auftreten.