3.
Zu sagen, die Affekte des Menschen gingen auf die Gottheit über, kann nur denen einfallen, die in ihrem Gehirn keine Logik haben und nicht wissen, daß etwas anderes die Affekte des Fleisches, etwas anderes die des beseelten Fleisches sind und wieder etwas anderes die Affekte der Seele, die sich des Leibes bedient. Dem Fleische ist es eigen, zerschnitten, vermindert und aufgelöst zu werden. Dem beseelten Fleische hingegen ist es eigen, zu ermüden, Schmerz zu empfinden, Hunger und Durst zu spüren und vom Schlafe überwältigt zu werden; der Seele aber, die sich des Leibes bedient, sind Trauer, Angst, Sorgen and dergleichen Zustände eigen. Einige davon sind natürlich und dem Lebewesen nötig; andere aber sind Ausfluß eines schlechten Willens als Folgen eines ungeordneten und in der Tugend nicht trainierten Lebens. Hieraus erhellt, daß der Herr die natürlichen Affekte annahm zur Bestätigung seiner wahren und nicht scheinbaren Menschwerdung, S. 313 die schlimmen Affekte aber, welche die Reinheit unseres Lebens beflecken, als der unbefleckten Gottheit unwürdig fernhielt. Darum heißt es, er sei „in der Gestalt des sündigen Fleisches1” erschienen2, nicht also in der Gestalt des Fleisches, wie diesen dünkt, sondern in der Gestalt sündigen Fleisches. Er nahm also unser Fleisch mit dessen natürlichen Affekten an, beging aber keine Sünde3, sondern wie der Tod, der im Fleische durch Adam auf uns fortgepflanzt worden, von der Gottheit verschlungen wurde, so wurde auch die Sünde durch die Gerechtigkeit in Jesus Christus vernichtet4, so daß wir bei der Auferstehung das Fleisch erhalten, was weder dem Tode unterworfen noch der Sünde Untertan ist.
Das sind, meine Brüder, die Geheimnisse der Kirche, das sind die Überlieferungen der Väter. Wir beschwören jeden Menschen, der den Herrn fürchtet und das Gericht Gottes erwartet, sich nicht durch allerlei Lehren verführen zu lassen! Wenn jemand anders lehrt und sich nicht an die gesunden Lehren des Glaubens hält, sondern die Aussprüche des Hl. Geistes von sich weist und seine eigenen Lehren höher schätzt als die Lehren des Evangeliums, so nehmt Euch vor einem solchen in acht! Möge der Herr uns verleihen, daß wir einmal miteinander zusammenkommen, um das, was unserer Ausführung noch fehlt, in persönlichem Verkehr zu ergänzen! Denn wir haben Euch nur Weniges von dem Vielen geschrieben, weil wir das Maß eines Briefes nicht überschreiten wollten, und weil wir zugleich überzeugt sind, daß für diejenigen, die den Herrn fürchten, auch eine kurze Ermahnung genügt.