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Zunächst, Brüder, wollen wir unsere Feste nicht in äußerem Glanze, nicht in besonderen, kostbaren S. 185 Kleidern, nicht in Gelagen und Schmausereien feiern, deren Früchte, wie ihr wißt, Sinnlichkeit und Schlechtigkeit sind. Nicht wollen wir unsere Wege mit Blumen bestreuen, nicht die Tische und Vorhöfe mit entehrenden Salben parfümieren. Nicht sollen irdische Lichter die Häuser erleuchten, noch sollen diese widerhallen von Flötenspiel und Lärm. So werden nämlich die heidnischen Festmonate begangen. Wir aber dürfen Gott nicht in solcher Weise ehren. Nicht in unwürdiger Form, sondern mit reiner Seele und leuchtendem Geiste, mit Lichtern, die den ganzen Körper der Kirche erleuchten, d. i. mit göttlichen Erwägungen und Gedanken, welche auf den heiligen Leuchter gestellt sind und der ganzen Welt Licht geben, wollen wir Festzeiten halten. Im Vergleich zu diesem Lichte ist alles unbedeutend, was die Menschen bei ihren privaten und öffentlichen Feiern anzünden. Auch ich habe eine Salbe. Doch mit ihr werden nur Priester und Könige gesalbt. Sie ist verschiedenartig und kostbar. Unsertwegen wird sie gebraucht. Von der Kunstfertigkeit eines großen Salbenhändlers wird sie hergestellt. Könnte ich doch den Wohlgeruch dieser Salbe Gott opfern! Auch einen Tisch habe ich. Es ist unser geistiger, göttlicher Tisch, den „mir der Herr bereitet hat gegen meine Bedränger1“, an dem ich ruhe und mich labe; sein Überfluß läßt mich nicht ausarten, sondern beruhigt im Gegenteil jede aufwallende Leidenschaft. Auch Blumen habe ich. Sie sind lieblicher und haltbarer als alle Frühlingsblumen. Sie wachsen auf dem „üppigen Felde, das der Herr gesegnet hat2.“ Es sind die heiligen, wohlriechenden Hirten und Lehrer und das ganze reine, auserwählte Volk3. Mit diesen Blumen will ich geschmückt und geziert werden, nachdem ich ― um mit dem heiligen Paulus zu sprechen4 ― „den guten Kampf gekämpft, den Lauf vollendet, den Glauben bewahrt habe“. Wir wollen nicht Pauken, sondern Hymnen, nicht schändliche Rhythmen und Lieder, S. 186 sondern Psalmengesänge, nicht Bühnenlärm, sondern laute Danksagung und wohlklingendes Händeklatschen, nicht Gelächter, sondern ernste Gesinnung, nicht Trunkenheit, sondern Besonnenheit, nicht Weichlichkeit, sondern Würde. Mußt du als Festteilnehmer dem Feste zuliebe tanzen, dann tanze, aber nicht nach Art der Herodias, welche den Tod des Täufers verschuldet hatte, sondern wie David bei der Überführung der Lade, der, wie ich glaube, die schönen, verschiedenartigen Bewegungen derer, die Gottes Wege wandeln, veranschaulichen sollte. Dies ist meine erste und wichtigste Mahnung.
