2.
So stand es mit mir, solange ich Schatten- und und Traumbilder zeichnen und meinen Geist mit Luftschlössern befriedigen durfte. Und wie steht es jetzt? Die Freundschaft (d. i. Basilius) und das Alter des Vaters haben mich gezwungen: Das Alter durch seine Klugheit und die Zahl der Jahre und weil es im sicheren Hafen ruht, die Freundschaft aber durch ihren Reichtum in Gott und weil sie den Nächsten bereichert. Bereits legt sich mein Groll. „Die Sanftmütigen mögen es hören und sich freuen1!“ Bereits erscheint mir milde die Hand, welche mir Gewalt angetan hatte. Ich juble im Inneren und mein Herz befriedigt sich und die ruhige Überlegung kehrt zurück. Wie eine Flamme, die ausgelöscht und erstickt war, erwacht die Freundschaft aus kleinem Funken wieder zu neuem Leben. „Meine Seele hatte sich nicht trösten lassen wollen und mein Geist war verzagt2.“ Ich hatte gesagt: Nicht mehr will ich der Freundschaft trauen, und warum soll ich auf einen Menschen meine Hoffnung setzen? Denn „jeder Mensch schreitet listig einher, und der Bruder bringt seinen Bruder zu Fall3“ und wir alle sind aus dem gleichen Staube und der gleichen Masse und haben von dem gleichen Holze der Sünde gegessen, mag auch der S. 256 eine den anderen äußerlich an Schönheit übertreffen. Ich hatte mir gesagt: Welchen Nutzen habe ich von dieser beneidenswerten, rühmlichen Freundschaft, welche mit den Sinnen begann und zum Geiste fortschritt, und welchen Nutzen bringt es mir, mit dem Freunde Wohnung und Tisch, Lehrer und Unterricht geteilt zu haben und mehr als brüderlich mit ihm verkehrt zu sein und ― wie es später der Fall war ― wahrlich eines Sinnes mit ihm gewesen zu sein, wenn mir nicht einmal erlaubt ist, in einer Zeit, da ich zu Macht und Ansehen gelangen konnte, in Zurückgezogenheit zu bleiben im Gegensatz zu einer streberischen Masse, welche mitregieren und am Glück der Freunde teilnehmen möchte?
