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[Forts. v. S. 44 ] Tag und Nacht beschäftige ich mich mit solchen Gedanken. Sie trocknen mir das Mark aus und zehren an meinem Fleische, nehmen mir den Mut und lassen mich nicht aufschauen. Sie demütigen meine Seele, schnüren meinen Geist ein, legen meiner Zunge Fesseln an und lassen mich nicht an Ämter und an die Besserung und Leitung anderer, wozu es reichlicher Begabung bedürfte, denken, vielmehr nur daran, wie ich selbst dem kommenden Zorne entrinne und wie ich etwas von dem Roste meiner Sünden abschabe. Es ist notwendig, zuerst rein zu sein, erst dann zu reinigen, zuerst Weisheit zu lernen, erst dann sie zu lehren, zuerst Licht zu werden, erst dann zu leuchten, zuerst zu Gott zu treten, erst dann zu ihm zu führen, zuerst sich zu heiligen, erst dann andere zu heiligen. Man braucht Hände, um zu führen, und einen Verstand, um Rat zu erteilen.
