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Werke Gregor von Nyssa (335-394) De oratione dominica orationes v. Das Gebet des Herrn (BKV)
Dritte Rede: "Geheiligt werde dein Name! Zu uns komme dein Reich."

IV

Das folgende Wort fleht, daß das Reich Gottes kommen möge. Verlangt es etwa, derjenige solle erst König werden, welcher der König des Alls ist, der immer schon ist, was er ist, der, während alles andere steten Wechsel erleidet, allein unveränderlich ist, der keine höhere Machtfülle finden kann, zu der er sich erheben könnte? Was will also die Bitte, welche nach dem Reiche Gottes ruft? Freilich, ihren vollen Sinn werden jene erkennen, S. 119 denen der Geist der Wahrheit die verborgenen Geheimnisse enthüllt; wir aber haben etwa folgendes als die Bedeutung der Bitte gefunden. Eine einzige Macht und Stärke gibt es, die über das ganze Universum gesetzt ist, die alles leitet und regiert, ohne durch Vergewaltigung und Tyrannei, durch Mittel der Furcht und des Zwanges, alles, was ihr untergeben ist, unter das Joch der Botmäßigkeit zu zwingen; denn frei von Furcht soll die Tugend sein und ohne Knechtung; mit freier Entscheidung soll sie das Gute wählen. Das Wesen des Guten besteht aber stets in der Unterordnung unter jene Macht, von der alles Dasein und Leben stammt. Nachdem nun die menschliche Natur von der Fähigkeit, das Gute zu erkennen, durch Täuschung sich hat abbringen lassen, nachdem die Schwerkraft unseres Willens dem Verbotenen sich zuneigt und das Leben der Menschen allen Unvollkommenheiten unterworfen ist, da der Tod tausend Wege kennt ― jede Erscheinungsform des Bösen wird ja gleichsam ein Weg, auf dem der Tod uns naht ― nachdem wir also von solcher Gewaltherrschaft eingeengt sind und von den anstürmenden Leidenschaften wie von Henkern und Feinden alle Augenblicke dem Tode überantwortet werden, so flehen wir mit Recht, Gottes Reich und Herrschaft möge zu uns kommen. Denn nur dann sind wir imstande, der Todesherrschaft mit all ihren Schrecken zu entrinnen, wenn jene Macht, die allein Leben zu spenden vermag, ihre gütige Herrschaft über uns führt. Wenn wir also die Bitte stellen, es möge das Reich zu uns kommen, so flehen wir damit Gott dem Sinne nach ungefähr also an: gerettet möge ich werden vom Untergang, befreit werden vom Tode, losgelassen aus den Fesseln der Sünde; nicht mehr solle herrschen über mich der Tod, nicht mehr soll wirksam sein die Zwangsherrschaft des Bösen, nicht soll Gewalt über mich haben der Feind1, nicht die Sünde mich gefangennehmen; nein, kommen soll zu mir dein Reich, auf daß von mir zurückweichen oder vielmehr in das Nichts übergehen die Leidenschaften, die mich jetzt zu beherrschen und zu knechten suchen! Denn wie der Rauch vergeht, so werden sie vergehen, und wie Wachs vor dem S. 120 Αngesichte des Feuers2, so werden sie verschwinden. Weder läßt der Rauch, sobald er in die Luft emporgestiegen, eine Spur von seinem Wesen zurück; noch wird das Wachs, wenn es ins Feuer geworfen ist, mehr gefunden, sondern auch dieses wird, nachdem es mit seinem Stoff die Flamme genährt hat, in Dunst und Luft verwandelt, und der Rauch tritt in völliges Nichts über. Ähnlich wird, wenn das Reich oder die Herrschaft Gottes zu uns kommt, alles, was bisher die Herrschaft geführt hat, in das Nichts gestürzt werden. Denn die Finsternis verträgt nicht die Gegenwart des Lichtes; nicht bleibt die Krankheit im Körper, wenn die Gesundheit einzieht. Und so weicht die Leidenschaftlichkeit, wenn mit dem Reiche Gottes Leidenschaftslosigkeit in die Seele eingetreten ist; dahin ist der Tod und verschwunden die Verderbnis, wenn das Leben in uns zur Herrschaft gelangt ist und die Unverderbbarkeit (aus Ber.: lies: „Unverderbbarkeit“ statt „Underbbarkeit“) die Oberhand gewonnen hat.

O süßes Wort: „Zu uns komme dein Reich“! Durch dasselbe tragen wir ungefähr folgende Bitte Gott vor: vernichtet werde die Schlachtreihe, verschwinden mögen die Heereshaufen der Feinde; beendet werde der Krieg des Fleisches gegen den Geist; nicht sei der Leib ein Stützpunkt des Feindes unserer Seelen; es erscheine mir die Macht des Königs, das Heer der Engel, die Tausende der Gewalten, die Zehntausend, die zu seiner Rechten stehen, auf daß auf der Seite des Widersachers tausend Streiter fallen! Zahlreich zwar ist der Gegner, aber nur für den von deiner Hilfe Verlassenen furchtbar, und unbesiegbar bloß so lange, als der Bekriegte allein steht. Wenn aber dein Reich anbricht, so entweichen Trauer und Jammer; dafür kehren ein Leben, Freude, Frohlocken!


  1. nach L.L.: πολέμιος [polemios] (statt πόλεμος [polemos]). ↩

  2. nach der L.L.: ἀπὸ προσώπου πυρός [apo prosōpou pyros] Cf. 258. ↩

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Das Gebet des Herrn (BKV)
Kommentare zu diesem Werk
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