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Werke Gregor von Nyssa (335-394) De oratione dominica orationes v. Das Gebet des Herrn (BKV)
Dritte Rede: "Geheiligt werde dein Name! Zu uns komme dein Reich."

V

Rufen wir aber nicht mit der Bitte, Gottes Reich möge zu uns kommen, nicht auch zugleich die Hilfe des Heiligen Geistes an, wie uns Lukas den nämlichen Gedanken noch klarer erläutert? Statt: „Zu uns komme dein Reich“ heißt es nämlich (― nach einer spärlich bezeugten S. 121 Lesevariante ―) in seinem Evangelium: „Der Heilige Geist komme zu uns und reinige uns.“ Was werden nun die frechen Redner gegen den Heiligen Geist angesichts dessen sagen? Wie können sie nunmehr ihren Versuch aufrechthalten, die Hoheit des Reiches in die Niedrigkeit der Knechtschaft zu verwandeln? Was nämlich Lukas Heiligen Geist nennt, nennt Matthäus Reich1. Wie können sie es verantworten, wenn sie trotzdem den Heiligen Geist2 zu einer untergeordneten Kreatur herabziehen und ihn statt mit der herrschenden, mit der beherrschten Natur auf gleiche Linie stellen? Die Kreatur dient. Dienen ist aber gleichbedeutend mit Beherrschtwerden. Nun bedeutet der Heilige Geist, wie es sich aus dem angeführten Vergleich des ersten mit dem dritten Evangelium ergibt, das Reich und die Herrschaft Gottes; ist er aber Reich und Herrschaft, so folgt notwendig, daß er herrscht und nicht beherrscht wird. Wird er aber nicht beherrscht, so ist er auch nicht etwas Geschaffenes3; denn alles, was geschaffen ist, muß seinem Begriff nach unbedingt beherrscht werden oder dienen. Wenn nun der Heilige Geist unleugbar Gottes Reich und Herrschaft in sich schließt, mit welchem Recht weigern sich jene, ihm die unbeschränkte Herrschermacht einzuräumen4, sie, die niemals beten gelernt haben, sie, die auch nicht einmal wissen, was der sein muß, der die befleckten Seelen zu reinigen vermag, und was der, der Gottes Herrschaft übernommen hat5. Es heißt ja ausdrücklich: „Es komme dein Heiliger Geist und reinige uns!“ Also ist dem Heiligen Geiste als besondere Kraft und Wirksamkeit die Fähigkeit eigen, die Seele zu läutern und die Sünden nachzulassen, wie es eben das Evangelium klar bezeugt. Mit diesem Zeugnis aber, daß er die Macht der S. 122 Sündenvergebung besitze, hat es auch zugleich Zeugnis von seiner Gottheit abgelegt. Die nämliche Aussage macht der Apostel über den Eingebornen, nämlich daß er, nachdem er Sündenreinigung bewirkt, zur Rechten der Herrlichkeit des Vaters sich gesetzt habe (Hebr. 1, 3). Demnach bewirken beide dasselbe: der Geist, der uns reinigt, und Christus, der die Reinigung von Sünden bewerkstelligt hat. Diejenigen aber, welche dieselbe Wirkung hervorzubringen vermögen, haben auch dieselbe Macht; denn jede Wirkung ist die Äußerung einer Macht. Wenn also sowohl die Wirksamkeit als auch die Macht ganz dieselbe ist, wie wäre es dann möglich, an eine Verschiedenheit der Natur bei solchen zu denken, bei denen wir keinen Unterschied der Macht und Wirksamkeit ausfindig machen können? Es geht durchaus nicht an, falls die beiden Merkmale des Feuers: Leuchten und Brennen in ganz gleicher Weise auftreten, auf wesensverschiedene Ursachen zu schließen; ebensowenig kann ein Vernünftiger, sobald er aus der Schrift ersieht, wie der Sohn und der Heilige Geist die ganz gleichen Wirkungen hervorbringen, irgendwie annehmen, Sohn und Geist besäßen eine verschiedene Natur.

Schon früher wurde ferner durch Aussprüche der Heiligen Schrift bewiesen, daß der Vater und der Sohn die nämliche Natur haben, da es nicht möglich ist, Wesen verschiedener Art den Namen „Gott“ zu geben. Nie wird auch z. B. eine Bank als ein Sohn des Zimmermanns bezeichnet, und kein Vernünftiger wird sagen, ein Baumeister habe ein Haus gezeugt, sondern mit dem Namen Vater und Sohn wird erklärt, daß beide der Natur nach zusammengehören. Daraus folgt mit Notwendigkeit: wenn zwei ein und demselben Dritten gleich sind, so können sie auch unter sich nicht verschieden sein. Wenn also der Sohn mit dem Vater gleichen Wesens ist, wenn ferner durch die Identität ihrer Wirkung bewiesen wird, daß der Sohn und der Heilige Geist der Natur nach gleich sind, so ergibt sich daraus die Folgerung: die Natur der heiligen Dreifaltigkeit ist nur eine, ohne daß sich aber die einzelnen Personen, weil an jeder eine besondere Eigentümlichkeit wahrzunehmen ist, miteinander vermengen ließen, und ohne daß sie diese besonderen Merkmale S. 123 gegenseitig vertauschen könnten. Welcher Wahnwitz ist es also, wenn die Bekämpfer des Heiligen Geistes behaupten, der Geist diene! Ihnen ist nicht einmal das Zeugnis des heiligen Paulus maßgebend, der da sagt: „Der Herr aber ist der Geist“ (2 Kor. 3, 17). Oder meinen sie vielleicht gar, der Ausdruck: „er möge zu uns kommen“, wäre geeignet, seine Würde herabzusetzen? Da würden sie nicht einmal auf den großen David achten, der sogar den Vater zu sich herabziehen möchte, indem er fleht: „Komme, uns zu retten“ (Ps. 79, 3 [hebr. Ps. 80, 3]). Wenn also das Kommen beim Vater ehrenvoll ist, wie soll es dann beim Geiste entwürdigend sein? Oder wollen sie in dem Reinigen von Sünden ein Anzeichen dafür sehen, daß er an Würde dem Vater und dem Sohne nachstehe? Nun höre, wie die ungläubigen Juden schreien, daß Sündenvergebung einzig Sache Gottes sei, wobei sie den Vater im Auge haben. So wird ja berichtet: „Was redet dieser Lästerungen! Wer kann Sünden vergeben außer Gott allein?“ (Mark. 2, 7). Wenn demnach der Vater Sünden nachläßt, der Sohn aber die Sünden der Welt hinwegnimmt und der Heilige Geist alle von den Befleckungen der Sünde reinigt, in welche er kommt, was werden dann noch diejenigen einwenden können, welche gegen ihr eigenes Leben (d. i. gegen den Heiligen Geist) ankämpfen?

Doch es komme zu uns der Heilige Geist, er reinige uns und befähige uns, die erhabenen, gotteswürdigen Gedanken aufzunehmen, die uns in den Gebetsworten durch den Mund des Heilandes geoffenbart werden, dem Ehre sei von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.


  1. Selbständiger Satz nach der L.L., welche (unmittelbar folgend) Πῶς [Pōs] (statt πῶς [pōs]) annimmt. Cf. 260. ↩

  2. nach der L.L. τὴν φύσιν τοῦ πνεύματος ἀντὶ [tēn physin tou pneumatos anti] (statt οἱ θεομάχοι ἀντί [hoi theomachoi anti]). ↩

  3. nach der L.L. οὺδὲ κτίσις ἐστίν [oude ktisis estin] (statt οὐκοῦν τῆς κατὰ κτίσιν κοινωνίας κεχώρισται [oukoun tēs kata ktisin koinōnias kechōristai]). ↩

  4. nach der L.L. πῶς οὐχ ὁμολογοῦσι τὴν δεσπότειαν [pōs ouch homologousi tēn despoteian] (statt πῶς τῇ δουλευούσῃ φύσει συναριθμοῦσιν [pōs tē douleuousē physei synarithmousin]). ↩

  5. nach der L.L. ἀναδεδεγμένος [anadedegmenos] (statt ἐξηρτημένος [exērtēmenos]). ↩

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