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Œuvres Grégoire de Nysse (335-394) De oratione dominica orationes v. Das Gebet des Herrn (BKV)
Vierte Rede: "Dein Wille geschehe wie im Himmel, also auch auf Erden; unser tägliches Brot gib uns heute!"
a) "Dein Wille geschehe wie im Himmel, also auch auf Erden."

II

Einstens erfreute sich die Menschheit voller geistiger Gesundheit, da sozusagen ihre Grundstoffe, ich meine die Regungen der Seele, in schönster Ordnung und Eintracht im Sinne der Tugend zusammenwirkten. Als aber die Begierde nach dem Bösen die Oberhand gewann, und die S. 125 ihr entgegengesetzte Selbstbeherrschung von jenem übermächtigen Teile besiegt war, und es nichts gab, was den überschäumenden Drang nach dem Unerlaubten hätte zurückweisen können, da gesellte sich eine den Tod bringende Krankheit, die Sünde, zur menschlichen Natur. Der wahre Arzt der Seelenkrankheiten nun, welcher aus Liebe zu den Kranken in das menschliche Leben eintrat, beseitigt durch die Unterweisungen, welche er im Gebete erteilt, die Ursachen der Krankheit und führt uns wieder zur geistigen Gesundheit zurück. Die Gesundheit der Seele besteht nun in der Entschlossenheit, immerdar den Willen Gottes zu tun, wie umgekehrt das Aufgeben dieser Bereitwilligkeit in die Seele die Krankheit trägt, die schließlich zum Tode führt1. Nachdem nun der Mensch durch das Gift des Ungehorsams, das er reichlich in sich aufgenommen, in schwere tödliche Krankheit gefallen und verurteilt war, das herrliche Leben des Paradieses zu verlassen, da erschien der wahre Arzt, um, wie es die anfangs dargelegte ärztliche Theorie verlangt, das Übel durch entgegengesetzte Mittel zu heilen; weil wir dadurch von Krankheit ergriffen wurden, daß wir uns vom Willen Gottes trennten, so heilt er uns dadurch von unseren Leiden, daß er uns wieder mit dem Willen Gottes vereinigt. So aufgefaßt, bewirken die Worte des Gebetes die Heilung unserer Seelenkrankheit. Wer nämlich ausruft: „Dein Wille geschehe“, betet, wie wenn seine Seele gleichsam von Schmerzen heimgesucht wäre. Der Wille Gottes aber ist das Heil der Menschen. Wenn wir uns nun entschließen, zu Gott zu sagen: „Dein Wille geschehe auch in mir“, so müssen wir vorher jenem Leben widersagen, das im Gegensatz zum göttlichen Willen steht, und ungefähr folgende Meinung mit unserem Gebete verbinden: „Während meines früheren Lebens trieb ein Wille, der dem deinigen, o Gott, entgegengesetzt war, in mir sein Unwesen und ich war ein Knecht des höllischen Zwingherrn, so daß ich gleichsam wie ein Henker die Blutbefehle jenes bösen Feindes an mir selbst ausführte; erbarme dich über meine Verkommenheit und gib, daß endlich dein heiliger Wille in mir geschehe! Wie S. 126 nämlich in den dunklen Winkeln der Höhlen, sobald man ein Licht hineinbringt, die Finsternis verschwindet, so weicht, wenn dein Wille in mir geschieht, alsbald jene schlechte, ungehörige Regung des Willens!“ Denn die Mäßigung wird das zügellose leidenschaftliche Begehren des Herzens stillen, die Demut den Hochmut vernichten, die Bescheidenheit die Krankheit der Selbstüberhebung heilen, die Tugend der Liebe auch die längste Reihe von Lastern aus der Seele vertreiben. Vor ihr flieht der Haß, der Neid, der Groll, der Zorn, die verdrießliche Stimmung, die Hinterlist, die Heuchelei, die Erinnerung an Kränkungen, das Verlangen nach Rache, das Aufwallen des Herzblutes, der gehässige Blick: überhaupt die ganze Schar der Laster wird durch die Gesinnung der Liebe in die Flucht geschlagen. Zumal vertreibt der Wille Gottes, wenn er in uns zur Entfaltung kommt, den zweifachen Götzendienst: den Wahnsinn mit den Götterbildern und den mit Silber und Gold, die ein Prophetenwort „die Götzenbilder der Heiden“ nennt. „Es geschehe also dein Wille“, damit der Wille des Teufels zunichte werde.

Weshalb beten wir aber, daß von Gott her uns der Wille zum Guten zuteil werde? Deshalb, weil die menschliche Natur zum Guten zu schwach ist, nachdem sie die Kraft hiezu durch die Sünde einbüßte. Denn keineswegs mit derselben Leichtigkeit, mit welcher sich der Mensch zum Bösen wendet, kehrt er von diesem wieder zum Guten zurück, wie sich auch am Leib ein ähnliches Verhältnis bemerken läßt; nicht auf die gleiche Weise und nicht mit derselben Leichtigkeit wird nämlich das Gesunde krank und das Kranke gesund. Oft kam ein bis dahin ganz rüstiger Mann durch eine einzige Verwundung in die äußerste Gefahr; ein einziger Fieberanfall oder eine Wiederholung desselben lähmte schon die ganze Spannkraft des Körpers, eine geringe Giftdosis schwächte oder zerstörte sie; auf den Biß einer Schlange, auf den Stich eines giftigen Insektes, auf bloßes Ausgleiten oder Fallen, auf eine Übersättigung oder auf etwas Ähnliches erfolgte nicht selten rasch eine Erkrankung oder sogar der Tod. Die Beseitigung der Krankheit hingegen erfordert, wenn sie überhaupt erzielt wird, in der Regel reifliche Überlegung, die Ertragung vieler S. 127 Beschwerden und den Aufwand großer ärztlicher Kunst. Dem entspricht es auf geistigem Gebiete, daß wir zum Fortschreiten auf der Bahn des Bösen, keinen Helfer benötigen, weil das Böse in unserem verderbten Willen wie von selbst zur vollen Entfaltung sich entwickelt; soll sich aber die Wagschale zum Guten neigen, so brauchen wir die Hilfe Gottes, damit er das Wollen bis zum Vollbringen geleite. Darum geht unsere Bitte dahin: „Da dein Wille, o Herr, die Mäßigung selbst ist, ich aber fleischlich gesinnt und unter die Herrschaft der Sünde verkauft bin, so möge der Wille zum Guten durch deine Kraft in mir hergestellt werden: die Gerechtigkeit, die Frömmigkeit, die Zügelung der Leidenschaften!“ Denn der Begriff Wille schließt sämtliche Tugenden keimhaft in sich und der Wille Gottes enthält alles Gute, was wir nur denken können.


  1. nach der L.L. τελευτῶσα [teleutōsa] (statt -σης [teleutōsēs]). ↩

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