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Werke Gregor von Nyssa (335-394) De oratione dominica orationes v. Das Gebet des Herrn (BKV)
Vierte Rede: "Dein Wille geschehe wie im Himmel, also auch auf Erden; unser tägliches Brot gib uns heute!"
b) Gib uns heute unser tägliches Brot!

I

Aber, könnte jemand einwenden, wie ist es möglich, daß die Menschen, denen ein Leben im Fleische beschieden worden, die Reinheit der körperlosen Mächte erreichen, sie, deren Seele infolge der körperlichen Bedürfnisse in unzählige Schwierigkeiten verstrickt ist? Einen derartigen Einwand scheint nun Gott zu beseitigen, indem er in der folgenden Bitte alles aus dem Wege räumt, was dem Streben nach voller Gleichförmigkeit mit dem Willen Gottes hinderlich sein könnte. Denn, soweit ich sehe, verkündet er durch diese Worte, in denen er uns befiehlt, um das tägliche Brot zu bitten, die Lehre, die Menschen würden dadurch, daß sie genügsam sind und in allem Maß halten, in bezug auf Leidenschaftslosigkeit den Engeln gleich, welche ihrer Natur nach über alle körperlichen Bedürfnisse erhaben sind. Die Engel bitten nämlich in ihren Gebeten Gott nicht um Darreichung von Brot, weil sie dergleichen nicht S. 130 bedürfen; um Brot zu bitten, wurde nur den Menschen befohlen, weil das, was verbraucht wird, notwendig Ersatz heischt. Flüchtig wie die Welle und vergänglich ist die menschliche Natur in ihrer ganzen Anlage, und für das Verbrauchte muß sie eine Ergänzung suchen. Wer nun bloß den Fortbestand seines Wesens im Auge hat und nicht, durch törichte Sorgen verleitet, Unnötiges anhäuft, wird nicht weit hinter dem Leben der Engel zurückbleiben, indem er ihrer Bedürfnislosigkeit seinerseits durch seine Genügsamkeit nacheifert. Deshalb wurde uns aufgetragen, zu Gott zu sprechen: „Gib uns unser Brot!“ und auf diese Weise lediglich um das zu bitten, was zur Erhaltung des leiblichen Daseins ausreicht, nicht um Üppigkeit und Reichtum, nicht um farbenprächtige Purpurgewänder, nicht um Goldschmuck und glitzernde Edelsteine, nicht um Silbergeschirr, nicht um Überfluß an Landbesitz, nicht um den Oberbefehl über Heerhaufen, nicht um die Herrschaft über Städte und Völker, nicht um Herden von Pferden und Rindern oder um große Mengen von anderem Vieh, nicht um Überfluß an Sklaven, nicht um glanzvolles Auftreten auf öffentlichen Plätzen, nicht um Gedenksäulen, nicht um Seidengewebe, nicht um musikalischen Ohrenschmaus oder um sonst Derartiges, wodurch die Seele von dem ungleich wichtigeren Streben nach Gott abgezogen wird, sondern nur um unser tägliches Brot.

Siehst du die Tiefe der Weisheit und die Fülle von Lehren, welche dieses kurze Wort in sich birgt! Ganz offen beinahe ruft der Herr damit allen, die es verstehen wollen, zu: Höret auf, ihr Menschen, euch in Begierden nach törichten Dingen zu verlieren; höret auf, euch selbst noch mehr Quellen von Schwierigkeiten zu schaffen! Wenig nur ist es, was du im Hinblick auf deine Menschennatur wirklich notwendig hast; Nahrung bist du deinem armseligen Fleisch schuldig, ― eine Kleinigkeit und leicht zu beschaffen, wenn du im Ernst nur auf das Bedürfnis schaust! Warum vermehrst du selbst deine Steuersumme dem Leibe gegenüber? Warum hast du dich mit so vielen Schulden an ihn beladen, zu deren Abtragung du nun Silber ausgräbst, Gold aus der Tiefe holst und nach glänzendem Stoffe ausspähest? Damit dir durch S. 131 solcherlei Dinge der nimmersatte Abgabenforderer, der Bauch, in Überfluß schwelge? Er bedarf doch nur des Brotes, das dem Leibe alles bietet, was er zu seinem Fortbestehen braucht! Du aber ziehst bis zu den Indern, setzest dich auf weitem Meere allen Gefahren aus, begibst dich jahraus jahrein auf Seefahrten, um mit aus großer Ferne bezogenen Waren deine Nahrung zu würzen, ohne zu bedenken, daß das Gefühl des Wohlgeschmackes sich nur auf den Gaumen erstreckt! Ebenso gewährt das, was schön aussieht, wohl riecht und angenehm mundet, nur ein hinfälliges, kurzes Behagen. Vom Gaumen an läßt sich kein Unterschied der genossenen Speisen mehr erkennen, weil die Natur alles in gleicher Weise in eine übelriechende Masse verwandelt. Siehst du das Ende aller Kochkunst? Siehst du den schließlichen Ausgang der ganzen Zauberei, mit der man Leckerbissen bereitet? Um das Brot bitte, weil du es zum Leben brauchst. Alles aber, was die Schwelger durch vieles Nachgrübeln außerdem noch ausfindig machen, gehört zum Unkraut, das daneben gesät wurde. Die Aussaat des Hausvaters ist der Weizen und aus dem Weizen wird das Brot bereitet; die Schwelgerei aber ist das Unkraut, das vom Feinde unter den Weizen gesät wurde (Luk. 8. 14). Wenn aber die Menschen es verschmähen, unserer Natur bloß mit den ihr wirklich unentbehrlichen Mitteln den notwendigen Dienst zu leisten, so ersticken sie förmlich, wie das göttliche Wort irgendwo sagt (Mark. 4, 7. 19) in ihren törichten Bestrebungen und bringen keine Frucht, da sich ihre Seele einzig immerdar derartigen Gedanken hingibt

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Übersetzungen dieses Werks
Das Gebet des Herrn (BKV)
Kommentare zu diesem Werk
Einleitung zur Schrift: „Über das Gebet (des Herrn)"

Inhaltsangabe

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