III
Wer dir also dafür, daß du dich von den Übeln des Krieges fernhältst, eine Belohnung geben will, begnadigt dich mit einem zweifachen Geschenk. Das eine Geschenk ist nämlich der Kampfpreis, das andere der Kampf. Daher würde, selbst wenn kein Lohn dafür in Aussicht gestellt wäre, der Friede an sich in den Augen aller Verständigen es verdienen, daß er mehr als andere Güter angestrebt werde. Das Übermaß der Liebe Gottes zu uns Menschen läßt sich also gerade daraus deutlich erkennen, daß er so herrliche Belohnungen nicht etwa auf Schweiß und Mühe gesetzt hat, sondern sozusagen auf Wohlleben und Vergnügen, weil ja der Friede von allem Schönen und Erfreulichen die Hauptsache ist. Und sein Wille geht dahin, dieser Friede möge bei allen in solcher Fülle vorhanden sein, daß ihn jeder nicht bloß selbst besitze, sondern aus seinem reichen Überfluß davon auch jenen mitteile, die ihn nicht haben. Es heißt ja: „Selig die Friedfertigen“; friedfertig ist aber jener, welcher den S. 225 Frieden einem anderen verschafft; freilich kann man nur das anderen gewähren, was man selbst besitzt. Er will demnach, daß du vor allem selbst mit den Segnungen des Friedens gesättigt seiest, dann aber auch, daß du denen davon mitteilest, welche an diesen Gütern Mangel haben.
Hiebei brauchen wir keine allzu tiefgründigen Betrachtungen über die Seligpreisung anzustellen; schon ihr zunächstliegender Sinn genügt, um uns das hohe Gut anzupreisen. „Selig sind die Friedfertigen“. In diesem kurzen Satz vollzieht das Gotteswort unsere Heilung von vielen Krankheiten, indem es in dieser allgemeinen, umfassenden Form viele einzelne Wahrheiten uns zugleich nahelegt. Erwägen wir zuerst, was unter Frieden zu verstehen ist. Nichts anderes als eine liebevolle Übereinstimmung mit unseren Mitmenschen. Was ist aber der Liebe zum Nächsten entgegengesetzt? Haß, Zorn, Neid, Groll, Rachsucht, Heuchelei, Streit. Daraus schon kannst du erkennen, für welch zahlreiche und schlimme Krankheiten jenes eine Wort der Seligpreisung als heilendes Gegenmittel dient; denn all den Verfehlungen, die ich soeben aufgezählt, tritt der Friede in gleicher Weise entgegen und sein Kommen genügt, um diese Übel sämtlich zu beseitigen. Gleichwie nämlich die Krankheit durch das Eintreten der Gesundheit weicht und die Finsternis beim Erscheinen des Lichtes schwindet, ebenso müssen beim Nahen des Friedens alle Leidenschaften fliehen, die ihm entgegengesetzt sind. Welch großes Glück damit begründet wird, meine nicht ich erst dir darlegen zu müssen; sondern vergegenwärtige dir selbst, welches Leben die Menschen haben, die einander beargwöhnen und anfeinden. Sie verkehren miteinander voll Ingrimm; sie fühlen sich gegenseitig in allen Dingen abgestoßen; geschlossen ist der Mund, abgewendet die Augen, versperrt das Ohr, mag der Hassende oder der Gehaßte reden; was dem einen lieb ist, ist dem anderen zuwider, und umgekehrt, was der eine verabscheut, liebt der Gegner.