IX.
Schon war nach so vielen Großtaten der edlen Märtyrer Christi die Glut der Verfolgung schwächer geworden und gleichsam durch ihr heiliges Blut gelöscht; schon war auch denen, die in der Thebais um Christi willen in den dortigen Bergwerken arbeiten mußten, Erleichterung und Freiheit gewährt worden; schon begannen S. 295wir ein wenig aufzuatmen in freier Luft, — da entbrannte der Haß des Mannes, der die Macht zur Verfolgung überkommen, aus irgend einer Veranlassung, ich weiß nicht wie es kam, aufs neue gegen uns. Auf einmal gingen wiederum überall Edikte des Maximin gegen uns durchs Land und die Statthalter in seiner Präfektur und der Praefectus praetorio trieben noch durch Bekanntmachungen, Schreiben und öffentliche Erlasse in allen Städten die Logisten und mit ihnen die Strategen und Tabularier1 an, das kaiserliche Edikt zur Ausführung zu bringen, das da bestimmte: Es seien mit allem Eifer die verfallenen Göttertempel wieder aufzubauen und es sei dafür Sorge zu tragen, daß allenthalben alles, Männer mit Frauen und Gesinde, ja mit den Kindern an der Mutterbrust, Rauch- und Trankopfer bringe und gewissenhaft von den Opfergaben koste; alle Waren auf dem Markte seien mit Opferwein zu besprengen und vor den Bädern seien Wärter aufzustellen, um also diejenigen, die dort sich reinigten, durch die ruchlosen Götteropfer zu beschmutzen. Infolge der Durchführung dieser Bestimmungen erfaßte die Unsrigen begreiflicherweise von neuem große Besorgnis. Aber auch die unserm Glauben ferne stehenden Heiden tadelten dieses ungewöhnliche Vorgehen als drückend und sogar maßlos. Denn auch ihnen schien es abscheulich und töricht zu sein. Ein gewaltiger Sturm erhob sich allenthalben gegen uns alle. Doch da hauchte die göttliche Kraft unseres Erlösers wiederum denen, die für sie kämpften, solchen Mut ein, daß sie, ohne von jemand hierzu veranlaßt oder gedrängt zu sein, die Drohungen der so Mächtigen verachteten. Einst opferte der Statthalter den Göttern, da scharten sich plötzlich drei Männer aus der Zahl der Gläubigen zusammen, stürmten auf ihn los und riefen ihm zu, abzulassen von seinem irrigen Tun: denn es gebe keinen andern Gott als den Schöpfer und Bildner des Weltalls. Auf die Frage, wer sie seien, bekannten sie sich mutig als Christen. Darüber noch mehr gereizt, ließ sie Firmilian sofort, ohne die Folter an ihnen zur Anwendung zu bringen, zur Enthauptung S. 296abführen. Der eine von ihnen mit Namen Antoninus war schon älter2 , der zweite hieß Zebinas und stammte aus Eleutheropolis, und der dritte führte den Namen Germanus. Ihre Hinrichtung fand am dreizehnten des Monats Dios, an den Iden des November3 , statt. Am gleichen Tage wie sie schied ein Weib aus der Welt, Ennathas4 , von Skythopolis gebürtig, ebenfalls mit der Binde der Jungfrau geschmückt. Sie hatte nicht das gleiche getan, war vielmehr mit Gewalt fortgeschleppt und vor den Richter gebracht worden, nachdem sie schon vorher Geißelung und brutale Gewalttätigkeit über sich hatte ergehen lassen müssen. Einer von den Chiliarchen, der in ihrer Nähe gestanden war, hatte sich erfrecht, sie ihr anzutun, noch dazu ohne Ermächtigung von Seiten der vorgesetzen Behörde, ein Mann, Maxys mit Namen, aber noch schlimmer als der Name sagt5 , überhaupt frevelhaft, seiner äußeren Erscheinung nach auffallend stark, seines ganzen Wesen nach brutal und deshalb bei allen, die ihn kannten, verrufen. Er fand seine Freude daran, die Selige völlig entkleidet, so daß sie nur noch von den Hüften bis zu den Füßen eine Bedeckung trug, sonst aber am ganzen Körper nackt war, in der ganzen Stadt Cäsarea umherführen, über alle Hauptplätze schleppen und dazu mit Riemen peitschen zu lassen. Nach so vielen Leiden zeigte sie ihre heldenmütige Standhaftigkeit auch vor dem Richterstuhl des Statthalters. Der Richter ließ sie lebendig verbrennen. Die Wut dieses Mannes gegen die Christen steigerte sich bis zur Unmenschlichkeit. Nicht einmal die Gesetze der Natur achtete er und schämte sich nicht, dem entseelten Leibe der heiligen Männer das Begräbnis zu verweigern. So ließ er die S. 297Toten unter freiem Himmel den wilden Tieren zum Fraße vorwerfen und deshalb Tag und Nacht sorgfältig bewachen. Und tatsächlich konnte man mehrere Tage lang eine ziemliche Anzahl von Männern sehen, die sich zur Ausführung dieses tierischen und barbarischen Befehles hergaben. Sie standen, wie wenn's eine Sache wäre, die ihre Sorgfalt verdiente, in einer gewissen Entfernung Wache, damit die Leichname nicht gestohlen würden; wilde Tiere, und Hunde und fleischfressende Vögel verschleppten die menschlichen Gebeine dahin und dorthin, und die ganze Umgebung der Stadt war mit menschlichen Eingeweiden und Knochen bestreut, so daß auch all denen, die uns sonst feindlich gegenüber gestanden waren, nie etwas so schrecklich und grauenhaft vorgekommen war. Sie bedauerten dabei nicht so fast das Unglück derer, denen solches widerfahren war, als den Frevel an ihrer eigenen und der allen gemeinsamen Natur, der darin lag. Denn ganz nahe an den Toren der Stadt bot sich ein Schauspiel, das alles übertrifft, was man beschreiben oder aus dem Munde eines Tragikers hören kann: Das Fleisch von Menschen wurde nicht nur an einem Orte verzehrt, sondern überall hin zerstreut; ja einige behaupteten, auch innerhalb der Tore ganze Knochen und Fleischstücke und Teile von Eingeweiden gesehen zu haben. Das dauerte mehrere Tage so fort, als sich ein merkwürdiges Vorkommnis ereignete. Die Luft war heiter und klar und herrlichstes Wetter am ganzen Himmel. Da fingen auf einmal die meisten Säulen in der Stadt, welche die öffentlichen Hallen trugen, an, Tropfen wie Tränen zu vergießen, und die Plätze und Straßen waren, ohne daß ein Tropfen Regen vom Himmel gefallen wäre, ich weiß nicht woher, von Wasser besprengt und durchnäßt. Allgemein verbreitete sich infolgedessen das Gerücht, die Erde habe auf geheimnisvolle Art Tränen vergossen, weil sie die Pietätlosigkeit jener Vorkommnisse nicht mehr zu ertragen vermochte, und zur Beschämung der gefühllosen und mitleidslosen Natur von Menschen hätten Steine und die unbelebte Materie über das Geschehene geweint. Wohl weiß ich, daß dieser Bericht unsern Nachkommen vielleicht als Gerede und Fabel erscheinen S. 298wird, aber nicht ist er's denen, die damals Gelegenheit hatten, sich von der Wahrheit zu überzeugen.
-
Römische Munizipalbeamte ↩
-
Da die längere Fassung [S] nicht anführt, daß A. Priester gewesen und auch die in Menologien vorhandenen Bruchstücke von G 2 [vgl. Violet, a. a. O. S. 67 f.] πρεσβύτερος [presbyteros] auf das Alter beziehen, wurde diese Übersetzung gewählt. ↩
-
- Novembor 309.
-
Die längere Fassung [S] nennt den Namen nicht; griechische Menologion nennen sie, vielleicht auf G 2 zurückgehend, Maratho oder Manetho; [vgl. Violet a. a. O. S. 67 f.]; vgl. dagegen oben S. 21 Anm. 1. ↩
-
Μάξυες [Maxyes], ein rohes Volk in Libyen. Vgl. Herodot IV. 191. ↩