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Aus diesem Grunde wohl hat unser Herr in seiner Erscheinung im Fleische Tote erweckt, damit sie wieder den Weg alles Fleisches gehen könnten, bis er kommt und nicht mehr in der Einzahl spricht: Wache auf, sondern: Wachet alle auf! und somit die allgemeine Auferstehung ins Werk setzt. Er ist ja die Auferstehung der Toten. Darum hat er auch nach seiner eigenen Auferstehung keinen von den kurz zuvor Verstorbenen auferweckt. Es standen wohl mit ihm "viele entschlafenen Heiligen auf und erschienen S. 155vielen1 , sie zogen aber auch mit ihm in das Brautgemach2 ein. Das ist es, was wir in den Evangelien lesen, keineswegs aber, daß nur ein Teil von den Leibern der Heiligen auferstanden sei. Sondern ausdrücklich heißt es: "Leiber der Heiligen“; auch zeigten sie sich vielen, und das nicht etwa in einem anderen Leibe, sondern sie wurden von den Ihrigen als die unlängst Verstorbenen gekannt. Da aber der Herr Jesus auch andere von seiner Wundermacht überzeugen wollte, so wirkte er seine Wunder in der Art, da er sie immer leichter vollbrachte, je schwerer sie den Menschen erschienen. So als er zu der eben verstorbenen jugendlichen Tochter des Synagogenvorstehers gekommen war: "Stehe auf, Mädchen!“3 Durche dieses Wort: "Stehe auf“ stärkte er das eben im Tod Aufgelöste wieder, indem ja das Mädchen noch auf dem Sterbebette lag. Den Sohn der Witwe zu Naim4 aber, der schon auf der Bahre hinausgetragen wurde, erweckte er viel leichter zum Leben; denn er berührte nur die Bahre, ohne etwas zum Toten zu sagen5 , und schon infolge des Berührens stand jener sogleich auf. Was aber noch viel S. 156bedeutungsvoller ist und über alle menschliche Erwartung weit hinaussgeht, ist das, daß er bei Lazarus, der doch schon vier Tage im Grabe ruhte, weder die Worte: "Stehe auf" aussprach, noch mit der Hand das Grab berührte, sondern so ganz leicht und ohne weitere Umstände ihm kraft seiner göttlichen Macht zuruft: "Lazarus, komme heraus!"6 Nun ist es gewiß viel leichter und hat gar keine Schwierigkeiten zu sagen: Komm heraus, als das Berühren; das Berühren aber ist wieder viel leichter als zu befehlen: Mädchen, stehe auf! Dies alles hat das heilige Wort Gottes getan, um uns die Hoffnung der Auferstehung vor Augen zu stellen.
Matth. 27, 52 f. ↩
Epiphanius gehört mit zu jenen Vätern, welche diese alttestamentlichen Frommen mit geistlichem Leibe erstehen und mit Christus in den Himmel auffahren lassen, wobei aber, weil Christus der "Erstling der Erstandenen" ist, mit dem heiligen Hieronymus anzunehmen ist: "Non antea resurrexerunt, quarn Dominus resurgeret, ut esset primogenitus resurrectionis ex mortuis. ↩
Luk. 8. 54. ↩
Ebd. 7, 11 ff. ↩
Nach Luk. 7, 14 hat der Herr bekanntlich bei Auferweckung des Junglings von Naim die Worte gesprochen: "Jüngling, ich sage dir Steh auf!!" Der Gedächtnisfehler des sonst so schriftkundigen Epiphanius ist lelcht erklären aus der Überzeugtheit und Ausschließlichkert, mit der er hier den beabsichtigten Klimax im Auge hat. In Wirklichkeit ist aber die behauptete Steigerung in der Auferweckungs a r t einfach nicht vorhanden. Das δυσχερέστατον um mit E. zu reden, war für den Herrn nach dem evangelischen Bericht entschieden die Auferweckung des Lazarus, da betet der Herr zuerst feierlich und tief bewegt und ruft dann mit lauter Stimme. ↩
Joh. 11, 43. ↩
