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Werke Epiphanius von Salamis (315-403) Ancoratus Der Festgeankerte (BKV)
Brief

103.

Zudem stellte jeder seine Leidenschaft dar nach der Gestaltähnlichkeit seiner eigenen Anschauung. Der Blutdürstige nannte seinen Gott Ares, der Ehebrecher und die Ehebrecherin Aphrodite, der Tyrann gab der Nike Flügel, der Verrottete und nach irdischen Gütern Lüsterne zeichnete sich das Bild des Kronos, der Weichling bildete sich seine Kybele und Rhea, wohl wegen des Blutflusses, der die Folge häufiger fleischlicher Vermischung ist, der Vagabund hinwiederum verehrte als seine Gottheit die Jägerin Artemis oder den trunkenen Bacchus oder den an Mühsalen reichen Herakles, die Buhlerin den Zeus und Apollo. Doch wozu sollte ich die ganze Menge der unzähligen Leidenschaften anführen, die im Menschen herrschen? Weit ärger aber noch als alle anderen verfielen in Irrtum die Ägypter, die nicht nur ihre Leidenschaften vergötterten, sondern sogar auch Vögel und vierfüßige Land- und Was-jsertiere, wilde Bestien und solche Tiere, die ihnen von S. 159Gott zu ihrem Dienste sind angewiesen worden So sehr haben sie die natürliche Ordnung verkehrt, daß sie, gleichsam selbst tierisch, die bei ihnen vorkommenden Tiere als Gottheit verehrten und sich nicht schämten, für einen Gott zu halten den heulenden Hund, die von kriechenden Tieren sich nährende Katze, den geilen Bock, das schwache Schaf, das schuppige und ekle Krokodil, den Giftiges fressenden Ibis, den Hühnergeier, den Habicht und den Raben, lauter dienstbare Tiere, ja sogar die sich krümmende, häßliche Schlange. Kurz, was ist das für eine Schande: sie haben Augen und sehen nicht, wie sie unrecht haben; sie haben Ohren und hören es nicht, einen Verstand und sehen es nicht ein was bei ihnen Törichtes geschieht. So sind sie wie geschlagen von einem bösen Geschick und lassen sich weder von ihren eigenen Philosophen ein Licht anzünden noch wollen sie die Wahrheit sehen mit den zum Schauen Bestellten1 . Sie hören ja auch nicht auf Diagoras, der aus Holzmangel seine hölzerne Heraklesstatue verbrannte und dabei höhnisch dem Gotte zurief: „Wohlan nun, o Herakles, vollbringe deine dreizehnte Arbeit, komme und koche mir mein Mahl!“ Hierauf ergriff und spaltete er die Statue unter lautem Gelächter über seinen Gott, den es gar nicht gebe, und speiste dann lächelnd das durch ihn bereitete Mahl2 .


  1. Die Berufung auf heidnische ἄθεοι als Kronzeugen gegen den Polytheismus war schon den Apologeten geläufig. Mit besonderem Nachdruck wiesen sie auf die außerhalb des biblischen Offenbarungskreises sich findenden σπέρματα λόγου hin. Vgl. Justin, Apol. l. 46 : οἱ μετὰ λόγου βιώσαντες Χριστιανοί εἰσιν κἂν ἄθεοι ἐνομίσθησαν, οἷοι ἐν Ἔλλησι μὲν Σωκράτης καὶ Ἡράκλειτος καὶ οἱ ὅμοιοι αὐτοῖς, mit der denkwürdigen Fortsetzung: ἐν βαρβάροις δὲ Ἀβραάμ. . . . ↩

  2. von Wilamowitz, SBA.. 1911, S. 761, verweist für den seltsamen Ausdruck ἐγκυκληταὶ τῆς ἀληθείας auf Clemens Al. Protr 12, 1. ↩

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