115.
Da Gott beim Auszuge der Israeliten die Synagoge sich verbinden wollte, sprach er zu Moses: „Löse die Schuhe von deinen Füßen!“1 Wer nämlich zu einem Bade gelangen will, muß zuerst die Schuhe ablegen. Obgleich nun schon lange Zeit verflossen und „jeglicher auf seinem Wege abgeirrt war“2 und auch die Synagoge selbst in ihren Übeln verharrte, ließ Gott noch nicht das Bad der Wiedergeburt erscheinen, sondern schob es noch auf viele Jahre hinaus auf und eröffnete erst später S. 175in seiner Kirche dies heiligste Taufbad. In Moses zog er [seinem Volke] die Schuhe aus3 , in den Propheten nahm er [ihm] den äußeren Überrock ab, indem er dem Jeremias nur den Leibrock4 ließ. Bei Johannes warf er alle Kleidung der Welt weg und bekleidete ihn mit einem Gewande aus Kamelhaaren5 . Endlich in dem Erlöser und seinen Schülern legte er „die Gestalt dieser Welt ab6 ; denn von oben, vom Himmel herab bekleidete er sie nach der Reinigung durch das Wasser mit dem Gewande des Feuers und des Hl. Geistes. Obwohl aber die Israeliten seinen Gnadenvorzug sahen, erkannten sie doch nicht, daß er Gott sei, weshalb denn auch schon der Prophet mit ernsten Vorwürfen über sie klagte wegen der Unehre, die sie dem Erlöser bereiten würden: “Also vergeltet ihr dem Herrn, o törichtes und herzloses Volk!„7 Sie erkannten nicht, daß er es war mit dem im Anfange der Vater zu Rate ging, sprechend: “Lasset uns den Menschen machen nach unserem Bilde und Gleichnisse!„8 Die Worte: “Lasset uns machen„ bezeichnen nicht die Einzahl, sondern es beriet sich eben der Vater mit dem Sohne und dem HL Geiste9 . Denn “durch das Wort des Herrn sind die Himmel gefestigt worden und durch den Geist seines Mundes all ihre Macht„10 . Auch verstanden sie nicht, wenn es in demselben Buche heißt: “Feuer ließ regnen der Herr, S. 176nämlich der, welcher zu Abraham gekommen, vom Himmel herab von dem Herrn„11 , [nämlich von dem, der ihn gesandt hatte]. Nicht erkannten sie, daß er sie aus Ägypten befreit, nicht verstanden sie das prophetische Wort: “Und du, Bethlehem, bist nicht die geringste„12 . Wie konnte man denn eine Stadt “die geringste„ nennen, welche den umschloß, den Himmel und Erde nicht zu fassen vermögen? Ferner: “Aus dir wird hervorgehen der Führer." Wer ist nun der, der aus Bethlehem hervorgeht? Es ist ein Mensch. Wie kommt es nur, daß er Gott genannt wird?
-
Exod. 3, 6. ↩
-
Is. 53, 6. ↩
-
Über die diesbezügliche Symbolik vgl. c. 102. ↩
-
Jerem. Kap. 13. ↩
-
Matth. 3, 4. ↩
-
Epiphanias stellt hier die wichtigsten Stufen der Heilsgeschichte dar unter dem Bilde der Vorbereitung zu dem Bade der Wiedergeburt, für welches der Mensch κόσμου τὸ σχῆμα ausziehen mußte Ein ähnlicher Gedanke spielt in der gleichzeitigen und späteren griechischen Mönchsliteratur eine große Rolle: Wer Mönch werden will, muß die bunten Weltkleider, die Sinnbilder weltlichen Sinnes, ausziehen und dafür das einfache sohwarze Mönchskleid anziehen. So wird die Einkleidung zu einer symbolischen ἀποταγή, die Voraussetzung für das neue Lebeu, das die Mönchstaufe vermittelt. Die Eiufarbigkeit des σχῆμα μοναδικόν sinnbildete die "Rückkehr zur Einheit", wie man neuplatonisierend gerne sagte. Vgl. 1 Kor. 7, 81. ↩
-
Deut. 32, 6. ↩
-
Gen. 1, 26. ↩
-
vgl. c. 28. ↩
-
Ps. 32, 6. ↩
-
Gen. 19, 24. ↩
-
Mich. 5, 2. ↩