15.
Gewiß erwiderst du in deiner Schlauheit — und ich habe schon einige Unverständige, welche die Wahrheit Gottes und unseres Erlösers zu Lästerungen verkehren, so sagen hören —: „Der Geist erforschet zwar die Tiefen der Gottheit, aber er begreift sie nicht; denn der Apostel sagt in seinem Ausspruche einfach nur: Er erforschet die Tiefen Gottes, setzt aber nicht hinzu: und begreift sie.„ Was ist doch das für eine große Weisheit! So war es denn notwendig, du Schaf, nach dem Worte „erforscht“ noch hinzuzufügen "und er begreift„? Nach deiner törichten Ansicht wenigstens ist der ganze Tatbestand lückenhaft, wenn nicht jenes Wort hinzugefügt wird1 . Aber hier gibt es für dich keinen Ausweg mehr; denn die Schrift bestätigt doch in allweg für einen frommen und religiösen Menschen die Wahrheit. Da steht nun über den allmächtigen Gott folgendes geschrieben: „Gott prüfet die Nieren und erforschet das Innere des Leibes“2 . Wenn nun Gott die Nieren prüfet, erkennt er dann nicht, was er prüft ? Oder kam [nicht vielmehr] schon der ganze Erkenntnisvorgang in dem Prüfen zum Ausdruck?3 „Er erforscht das Innere des S. 32Leibes„, wieder ist nicht hinzugefügt: er begreift es. Wenn nun der Zusatz "er begreift es“ nicht dasteht, werde ich mir nun deshalb den [geistigen] Tod antun und jenen Zusatz hinflicken „er begreift es„, entsprechend deiner Meinung, du Tor? Ebenso heißt es nun auch vom Hl. Geiste : „er erforscht“ und es war nicht notwendig hinzuzufügen, daß er auch begreift. Der gewählte Ausdruck selbst läßt erkennen, daß der Hl. Geist die Kenntnis Gottes und der Tiefen der Gottheit habe. Wenn es also auch nicht heißt: er begreift, so mußt du doch auch dies mitverstehen, wenn du nicht deine Seele verderben willst. Wie es also niemand wagen wird, bezüglich des Vaters zu sagen: er erforscht, aber er begreift nicht — denn der Vater hat ja den Menschen erschaffen mit dem Sohne und dem Hl. Geiste; immer ist ja die Dreieinigkeit Dreieinigkeit, und sie kann nie einen Zuwachs erleiden — so gilt das auch vorn Hl. Geiste. Denn wenn er sagt: „Lasset uns den Menschen machen„, „im Anfange schuf Gott Himmel und Erde“, so wird damit hingewiesen auf den zum Werke der Schöpfung einladenden Ruf des Vaters; und in dem Ausspruch: „Lasset uns machen„ möchte ich einen Hinweis sehen nicht bloß auf den Sohn, sondern auch auf den Hl. Geist. Es heißt ja in der Schrift: „Durch das Wort des Herrn sind die Himmel befestigt worden und durch den Hauch seines Mundes alle ihre Kräfte“4 . Daher schafft mit dem Vater der Sohn, und es schafft mit der Hl. Geist. Gott also, der Allmächtige, der den Menschen geschaffen hat, sollte nicht wissen, was des Menschen ist, weil es von ihm nur heißt: „Er erforschet das Innere des Leibes"? Die ganze Fülle der göttlichen Erkenntnis aber deutet die Schrift an, wenn es weiter heißt: Damit nicht einer, der Sünde tut, glaube, daß er vor Gott verborgen sei. Denn er kennt den Menschen und was des Menschen ist5 .
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Die Ergänzung μὴ zu προστιθεμένης τῆς λέξεως erscheint notwendig. ↩
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Sprichw. 20, 27. ↩
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Wilamowitz gibt den Sinn des Satzes nach Holl 23 also: „oder steckt in δοκιμάζειν alles, in ἐρευνῶν aber nichts?" Es handelt sich um die Zeitwörter: δοκιμάζειν, ἐρευνᾶν, καταλαμβάνειν, in unserer Übersetzung: prüfen, erforschen, begreifen. ↩
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Ps. 32, 6. ↩
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Vgl. Job 11, 11. ↩