17.
Denn wenn auch die Engel größerer Macht und Erkenntnis ermangeln, so sei es doch ferne [zu glauben], daß auch der Sohn Gottes und der Hl. Geist derselben ermangeln. In geistlichem Verstande spricht Gott, der vom Vater zu uns gekommene hl. Logos: Die Psychiker aber werden gerichtet1 , da sie nicht erkennen die Weisheit des Sohnes, vielmehr das Wort der Weisheit. Ich frage dich, sage mir: Wer ist größer, der Vater oder jener Tag, über den er spricht? Du wirst es nicht wagen zu behaupten, der Vater sei nicht größer. Wenn nun der Vater größer ist als der Tag und die Stunde und alles, was er erschaffen hat und erschaffen wird, und niemand ihn erkennt als der Sohn, was ist dann wohl größer: den Vater zu kennen oder jenen Tag? Offenbar doch, den Vater zu erkennen. Wie sollte also dem, der das Größere weiß, das Geringere entgehen? Wenn er somit den Vater erkennt, so kennt er sicher auch den Tag, und es gibt nichts, dessen Kenntnis dem Sohne verschlossen wäre. Aber du wirst einwenden, daß der Vater größer ist und alles weiß, der Sohn aber keineswegs, wie er ja auch selbst sagt: „Der Vater ist größer als ich"2 . Aber so spricht der Sohn, um den Vater zu S. 35ehren, wie es sich ziemte, während er selbst höher vom Vater geehrt wurde. Es mußte nämlich in Wahrheit der rechtmäßige Sohn den eigenen Vater ehren, um sich als echten Sohn zu erweisen. In welcher Beziehung nun glaubst du, daß er größer sei? An Umfang oder Masse, zeitlich überhaupt oder in einem bestimmten Zeitabschnitte, an Würde oder Gottheit oder Unsterblichkeit oder Ewigkeit? Glaube doch das nicht! Denn in der Gottheit gibt es dem Sohne gegenüber keine Verschiedenheit, sondern nur insoferne der Vater Vater ist und er sein wahrer Sohn, gibt er seinem Vater die Ehre. Denn die Gottheit ist keine ausgedehnte Masse, so daß etwa der Vater ausgedehnter wäre als der Sohn, noch unterliegt sie der Kategorie der Zeit, so daß etwa der Vater vorzeitiger wäre dem Sohn gegenüber, noch hat der Vater seinen Platz in einer bestimmten Höhe — alles begreift er ja in sich, von nichts wird er inbegriffen —, so daß der Sohn etwa als untergeordnet zu denken wäre3 . „Er setze sich zur Rechten des Vaters", [sagt die Schrift,] und nicht: er ging ein in den Vater, um den Sabellius zu widerlegen und den Arius wegen seiner Blasphemie zu verurteilen.
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Vgl. 1 Kor. 2, 14. ↩
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Joh. 14, 28. — Es ist zu beachten, daß E. diese Stelle auf einen Vergleich der göttl. Natur des Sohnes mit der des Vaters bezieht. Vgl. haer. 69. 58. Den Vorrang des letzteren sieht er dann begründet in den jetzt sogenannten innergöttlichen Prozessionen. Petavius führt dazu eine Reihe von Väterstellen an, u. a. aus Basilius und Augustinus. ↩
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Diesen Schlußsatz erfordert der ganze Gedankengang; in "Wirklichkeit lautet der wörtliche Text: ἵνα ὁ υἱὸς ὑπερβεβηκὼς νοοῖτο. Hier ist wohl entweder τὸν υἱὸν oder ὑποβεβηκώς zu vermuten. ↩