42.
Aber, so lautet ein weiterer Einwand: Es steht geschrieben: "Der Herr hat mich erschaffen als Anfang seiner Wege vor seinen Werken"1 . Aber fürs erste ignorieren diese eitlen Schwätzer den Namen und den Titel dieses Buches ganz. Dieses Buch führt nämlich die Überschrift: Sprichwörter Salomons. Sprichwörter nun wollen nicht dasselbe besagen, was die eigentliche Bedeutung der Wörter angibt2 . So spach unser Herr Jesus Christus in Parabeln, und wir finden, daß diese parabolischen Redeweisen nicht mit unserer Anschauung übereinstimmen. "Das Himmelreich", sagt er, "ist gleich S. 72einem Senfkörnlein"3 . Wenn wir aber nach unseren Begriffen und Vorstellungen alles im einzelnen erwägen, so wird wohl offenbar jeder das Himmelreich für einen Ort von sehr großer Ausdehnung halten, wenn anders man das einen Ort nennen kann, wo Gott der Vater herrscht und der Gott-Logos und Sohn Gottes sowie der Hl. Geist Gottes, die Engel und die Erzengel, die geistlichen Heere, Abraham und Isaak und Jakob und alle Gerechten. Wie kann denn alles das in einem Senfkörnlein inbegriffen sein? Allein die ganze Stelle ist tropisch und sinnbildlich zu verstehen. Es stimmt also das parabolisch Gesagte mit dem Wortsinne nicht überein. Ebenso wird das Himmelreich verglichen mit "einem Weibe, welches zehn Drachmen hat und eine verliert, ein Licht anzündet und dieselbe wieder findet"4 ; ferner "einem Netze, das in das Meer ausgeworfen wird", und "einem Samenkorn, das in das Erdreich gelegt wird"5 : lauter bildliche Redeweisen, welche mit dem Wortsinne nicht dasselbe besagen. Übrigens wissen wir nicht einmal, ob Salomon, der Verfasser der Sprichwörter, die angezogene Stelle vom Sohne Gottes gemeint habe. Denn das Wort "Weisheit" wird in einem mehrfachen Sinne gebraucht. So schreibt der Apostel: "Es erkannte die Welt durch Gottes Weisheit Gott nicht"6 ; "es machte Gott die Weisheit der Welt zuschanden"7 , und: "Nicht in fleischlicher Weisheit, sondern in der Kraft Gottes"8 . Salomon kennt noch eine andere Weisheit, von der er sagt: "Ich liebte ihre Schönheit und nahm sie mir als Braut"9 . Eben diese Weisheit kannte auch schon Job und sagte von ihr: "Von wannen wurde die Weisheit gefunden, und welches ist der Platz der Erkenntnis?"10 Anderswo heißt es von derselben: "Die Weisheit des Armen ist verachtet", "Er ist der Helfer der Weisheit", und: "Die Weisheit des Vaters ist der Eingeborene"11 .
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Sprichw. 8, 22. Eine unter den Vätern sehr oft behandelte Stelle, und unser Epiphanius bemerkt [haer. 69 n. 20 ff.], daß gerade dieser Stelle Arius gegen die Gottheit des Sohnes sich mit Vorliebe bedieut habe. Strittig wurde unser Zitat durch die Übersetzung der LXX: κύριος ἔκτισέ με, der Herr erschuf mich, während andere übersetzten: κύριος ἐκτήσατό με, der Herr besaß mich, welcher letzteren Deutung auch die Vulgata folgt. Der hl. Hieronymua äußert sich über diese zweifache Übersetzungsweise wie folgt: Inter possessionem et creationem multa diversitas est. Possessio significat, quod semper Filius in Patre et Pater in Filio fuerit, creatio autem ejus, qui prius non erat, conditionis exordium. [Epist. ad Cypr. Presbyt. in der Mauriner Ausgabe t. II, pag. 697.] Nach dem Hebräischen lautet der ganze Vers -. "Der Herr setzte mich als Erstling seines Weges, vor seinen Werken, vor der Jetztzeit." Vgl. Klasen, die alttest Weisheit S. 60 ff. [W.]. ↩
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Vgl. haer. 69 n. 21. ↩
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Matth. 13, 31. ↩
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Luk. 15, 8. ↩
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Matth. 13, 47;13, 24. ↩
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1 Kor. 1, 21. ↩
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Ebd. 1, 20. ↩
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1 Kor. 2, 6. ↩
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Weish. 8, 2. ↩
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Job 28, 12. 20. ↩
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Pred. 9, 16; Weish. 7, 15; Sprichw. 29, 3; 1 Kor. 1, 30. ↩