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Works Epiphanius of Salamis (315-403) Ancoratus Der Festgeankerte (BKV)
Brief

54.

Freilich kannst du mir Ausreden daherbringen und sagen, die Propheten hätten Gott nicht mit den Augen, sondern im Geiste gesehen, so daß sie ihn fast begriffen und schauten. Darum, [um diesem Einwand zu begegnen,] sagte ja schon Isaias ausdrücklich: "Wehe mir, ich bin vernichtet; denn ich bin ein Mann mit unreinen Lippen, und unter einem Volke, das unreine Lippen hat, wohne ich und den Herrn der Heerscharen schaute ich"1 . Dabei sagte er nicht: ich schaute ihn im Geiste, sondern mit "meinen Augen". Die Propheten sahen also den Herrn und sie sahen ihn nicht; nur soweit es möglich war, sahen sie ihn, aber in Wahrheit. Nicht aber sahen sie ihn, wie er in seiner unendlichen, unbegreiflichen Natur ist. So erklären auch viele das Paradies allegorisch, wie besonders der Schwärmer Origenes, der viel lieber ein Phantasiegebilde als die Wahrheit ins Leben einführte; er sagt nämlich: Es gibt kein Paradies auf der Erde2 , und stützt sich auf einen Ausspruch des hl. Apostels: "Ich sah einen Menschen vor vierzehn Jahren, [ob im Leibe, ich weiß es nicht, ob außer dem Leibe, ich weiß es nicht, Gott weiß es,] derselbe ward entzückt bis in den dritten Himmel"3 . Aber das darfst du nicht mißverstehen und den dritten Teil des Himmels meinen. Indem nämlich der Apostel sagt: "bis in den dritten Himmel", spricht er nicht von einem dritten Teil des Himmels, sondern von drei der Zahl nach unterschiedenen Himmeln. Er fügt hinzu: "Ich weiß, daß S. 87derselbe Mensch entzückt ward in das Paradies und unaussprechliche Worte gehört hat, die kein Mensch sagen darf." Dank dem allmächtigen Gotte, der in jeder Beziehung so genau und deutlich auch das geringste erklärt und angegeben hat, daß die, welche nach Wahrheit streben, nicht getäuscht werden können. So faßte er auch hier den Himmel und das Paradies nicht in einem einzigen kurzen Ausdruck zusammen, so daß sie miteinander verwechselt werden könnten, sondern die Schrift sagt zuerst: "Ich kenne einen Menschen, der bis in den dritten Himmel entzückt ward", und dann folgt: "Der entzückt ward in das Paradies." Jenes Wort nämlich, welches den Artikel hat, bezeichnet einen anderen Gegenstand und bestimmt eine andere Örtlichkeit. Wir können uns diese zweifache Entzückung in den Himmel und in das Paradies gerade so vorstellen, wie wenn jemand einen Berg und ein ebenes Feld besitzt, das den Berg rings umgibt, und er beabsichtigt nun, in sein jenseits des Berges liegendes Feldgebiet zu gehen; will er nun durch die Ebene seinen Weg nehmen an diesen Ort und, dort angekommen, etwa gegen den Berg hinangehen, so wird ihm dies möglich sein; will er aber zuerst den Berg besteigen und vom Berge aus zu dem jenseits des Berges liegenden Punkt der Ebene gelangen, so kann er auch das tun. So mußt du dir auch vorstellen, was vom Apostel gesagt ist, daß er nämlich zuerst zum Himmel hinaufstieg und dann erst ins Paradies entrückt wurde, wie es heißt: "Es stieg mein Geliebter hinab in seinen Garten"4 , und so wie der Heiland sagt: "Heute wirst du mit mir im Paradiese sein"5 .


  1. Is. 6, 6. ↩

  2. Ausführlicher handelt Epiphanius darüber im Pan haer. 64, n, 47. ↩

  3. 2 Kor. 12, 2. 8. ↩

  4. Hohel. 6. 1. — "Ausgefallen ist wohl eine läugere Bemerkung über die Lage des Paradieses auf Erden.“ [Holl.]. ↩

  5. Luk. 23, 48. ↩

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