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Christus, in dem die Weisheit und Gottheit leibhaft wohnt, ist unser Mittler und er versöhnt durch sich selbst alles mit Gott, „nicht zurechnend die Vergehen“1 , indem er die verborgenen Geheimnisse Gottes erfüllt durch den Glauben an sein Testament, welches durch das Gesetz und die Propheten vorhergesagt worden war, als Gottes Sohn verkündet, Davids [Sohn] genannt; denn er ist beides, Gott und Mensch, „Mittler zwischen Gott und den Menschen“2 , die wahrhaftige Wohnung Gottes, das heilige Priestertum und der Geber des wieder gebärenden und alles erneuernden Hl. Geistes; denn „der Logos ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt, und wir haben seine Herrlichkeit gesehen als die des Eingeborenen vom Vater“3 . Denn gerade so, wie der Regen sich mit den Bäumen und Gewächsen verbindet und da etwas Körperliches hervorbringt, und zwar eine jede Frucht ähnlich dem Gewächse, auf dem sie gewachsen, und so an dem Ölbaume aus dem Regen fettes Öl erzeugt wird, welches sein Wesentliches aus dem Ölbaume angenommen hat, an der Rebe süßer Wein gedeiht und auf dem Feigenbaume süße Feigen reifen, kurz an jeglichem Gewächse gemäß seiner Eigenheit der Wuchs gefördert wird, gerade so ist, denke ich, auch das Wort Gottes in Maria Fleisch geworden und ist nach der Verheißung Samen Abrahams als Mensch. An ihm haben wir ja den Messias gefunden, von welchem S. 104Moses geschrieben hat4 , indem er sagte: „Niederströme wie Regen mein Wort“5 . Und David sagt: „Es soll herabkommen wie Regen auf das Vließ und wie Wassertropfen, die auf die Erde träufeln“6 . [Indem die Wolle den Tau aufnimmt, mehrt sie den Wuchs des Vließes, und indem die Erde den Regen aufnimmt, mehrt sie die Frucht, die der Bauer erhofft, einerseits durch [diese] Aufnahme, dem Herrn gehorsam, gerne ihre Natur bereitstellend, anderseits dadurch, daß sie von ihm mehr Triebkraft bekommt.] So erhält auch die Jungfrau auf ihre Frage : „Woher werde ich erkennen, daß dies mir geschehen wird?“ die Antwort: „Der Geist Gottes wird über dir sein, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten; daher wird auch das, was aus dir geboren werden wird, heilig sein und des Allerhöchsten Sohn genannt werden“7 . Im Engel spricht Christus, und der Herr selbst ist es, der sich bei seiner Menschwerdung bildete, „indem er Knechtsgestalt annahm“8 . Maria nimmt nämlich zwar das Wort Gottes zur Empfängnis auf, wie die Erde den Regen, aber das Wort bildet sich selbst zur heiligen Frucht, indem es Knechtsgestalt freiwillig annimmt. So [ist also Christus geboren worden] aus Maria, die ihn freudig aufnahm, so wie die Erde und das Vließ [den Regen], als die Frucht wahrer und echter Sehnsucht und der Erwartung der Heiligen, so wie Elisabeth sagte: „Gebenedeit bist du unter den Weibern, und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes“9 . Die menschliche Natur nahm er an des Leidens wegen, der leidensunfähige Logos. Christus ist „das lebendige Brot, welches vom Himmel herabgestiegen ist“10 und uns Leben spendet, er ist die Frucht des wahren Ölbaumes, das heilige, zusammengesetzte Salböl, welches Moses11 schon sinnbildlich angedeutet, er ist „der wahre Weinstock“, welchen nur der Vater pflanzt, und der für S. 105uns Trauben der Freude trägt, er ist „das lebendige Wasser, bei welchem der Mensch, der davon trinkt, nicht weiter mehr dürsten wird, sondern welches in ihm verbleibt und emporquillt ins ewige Leben“12 . Von ihm, dem wahren Weinstocke, haben die neuen Winzer die Ableger in die ganze Welt verpflanzt, die alten Winzer aber haben durch Unglauben ihn ausgerissen und getötet. Durch sein Blut werden die Völker geheiligt und durch seinen Geist führt er die Berufenen in den Himmel auf. Denn „diejenigen, welche sich von seinem Geiste leiten lassen“13 , die leben Gott, die andern aber sind noch dem Tode verschrieben und werden Psychiker und Sarkiker genannt. Darum befiehlt er uns, abzulegen die Werke des Fleisches, welche Beförderungsmittel der Sünde sind, abzutöten die Glieder des Todes durch seine Gnade und zu empfangen den Hl. Geist, welchen wir früher nicht hatten, der mich, der längst im Tode war, lebendig macht, ohne den ich des Todes sein werde. Ohne seinen Geist ist ja jeder tot. „Wenn der Geist dessen, welcher Jesum auferweckt hat von den Toten, in uns wohnt, so wird er lebendig machen unsere sterblichen Leiber wegen des uns innewohnenden Geistes“14 . Beide aber, der Sohn und sein Geist, wohnen, glaube ich, in dem Gerechten.