86.
Aber auch die Nachbeter der Häretiker fabeln Ähnliches und stoßen in dasselbe Hörn mit dem Unglauben, insoferne einige Häretiker, speziell die Manichäer, die Auferstehung auf die Seelen, nicht aber auf die Leiber beziehen. Ebendasselbe meinen und glauben auch die Hellenen, von denen ich eben gehandelt habe. Ihre Ansicht ist so recht läppisch und von allen guten Geistern verlassen. Gibt es denn etwas Ungeschickteres, als von einer Auferstehung zu reden, ja an eine solche überhaupt zu glauben und sie nur auf die Seele zu beschränken? Wie soll denn die Seele auferstehen, da sie doch nicht gestorben ist? Denn wir begraben ja doch nicht die Seelen in den Gräbern, sondern die Leiber. Nicht die Seele stirbt ja, sondern die Leiber; daher auch die Gewohnheit, die toten Leiber Leichname zu nennen. Wenn also jene schon überhaupt von einer Auferstehung sprechen, so ist klar, daß sich diese auf die Leiber, welche ja gestorben sind, und nicht auf die Seelen beziehen muß. Die Heiden aber, welche die Auferstehung als solche ganz und gar leugnen, werden schon durch ihre eigene Gewohnheit widerlegt, Speise und Trank an den sogenannten Festtagen zu den Gräbern der Toten zu bringen1 . Sie S. 137machen aus den Speisen ein Brandopfer und gießen den Wein als Trankopfer aus, wodurch sie doch gewiß den Toten nichts nützen, sich selbst aber einen Verlust zuziehen. Doch eben durch diese Gewohnheit legen sie gegen ihren Willen ein lautes Zeugnis für die Auferstehung ab. Ja noch mehr, wenn sie zu dem Grabe des Verstorbenen gekommen sind, so rufen sie den Toten beim Namen und sagen: „Stehe auf“ — und sie nennen seinen Namen —, „und iß und trink und laß dir's gut gehen!“ Tun sie das in der Meinung, daß die Seelen in den Gräbern ihrer Leichname seien, so muß der Zustand der Seelen wohl der eines empfindungs- und teilnahmslosen Wartens sein, daß sie nämlich den Tag, der da kommen soll, und die Auferstehung zur Wiedergeburt erwarten, bis sie die ihnen gehörigen, ihnen gleichsam vermählten Leiber wieder erhalten. Zwar verabscheuen die Kinder der Hellenen das Fleisch als etwas, was schlecht ist, gänzlich vernichtet werden muß und keine Hoffnung auf Wiederbelebung habe. Tun sie das aber nicht im angedeuteten Sinne, weshalb ketten sie dann die Seelen, die doch etwas Besseres sind, an die Substanz des Leibes und bestrafen sie so eigentlich, indem sie sich von ihrer Einbildung dazu bestimmen lassen, warum verweilen sie bei den sterblichen Überresten oder in welcher Erwartung und Hoffnung harren sie dort aus? Das sollen sie uns einmal sagen! Soviel ist doch sicher, daß sie nicht glauben, daß die Seelen in den Grabmälern seien, sondern an bestimmten Orten, die von Gott jeder Seele angewiesen sind, je nachdem es ihr Leben, ihr Handel und Wandel hier verdienen. Dagegen setzt jeder selbst die Leiber seiner Angehörigen in den Leichenkammern oder eigentlich „Beinhäusern“ bei. Das ist denn doch sonderbar: alle sind diesem einen Glauben mit S. 138seinen Folgerungen ergeben — allerorts herrscht da Übereinstimmung —, von den Ungläubigen aber wird im Gegenteil diese Wahrheit geleugnet und das, was bei Gott möglich [die Auferweckung der Toten], ist bei ihnen nicht zu fester Hoffnung erstarkt.
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Noch zur Zeit Tertullians herrschte diese Sitte [cf. Apol. c. 13]; ja selbst unter Christen wurde sie geübt, wie aus dem hl. Augustinus zu ersehen. Dieser erzählt [Conf. 6, 2], daß seine Mutter Monika zu den Gedenkstätten der Heiligen, wie sie in Afrika pflegte, Brei, Brot und Wein gebracht habe und von dem Türhüter abgewiesen worden sei, weil der Bischof [Ambrosius] es verboten habe . . ., damit den Trunkenbolden keinerlei Gelegenheit geboten würde, sich zu berauschen, und weil das gleichsam eine dem heidnischen Aberglauben ganz ähnliche Totenfeier sei. [W.] Vgl. Rohde, Psyche, 5. Aufl., I 235 ff. ↩