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Über das Priestertum (BKV)
KAPITEL IV.
Was soll er denn sonst noch verachten? Das Bekritteln und Verkleinern1 [seitens der Menge]. Bei unberechtigten Vorwürfen2 hingegen — es kann ja nicht ausbleiben, daß der Vorsteher grundlosem Tadel ausgesetzt ist — ist es zweckmäßig, sich weder maßlos zu fürchten und zu ängstigen, noch sie einfach unbeachtet zu lassen. Er soll sie vielmehr, selbst wenn sie unwahr sind und von ganz gewöhnlichen Menschen erhoben werden, rasch zu unterdrücken suchen. Denn nichts vergrößert sowohl seinen schlimmen wie guten Ruf so sehr wie die zügellose Menge. Ist doch diese gewohnt, ohne Prüfung anzuhören und das Gehörte weiterzuerzählen3; überhaupt schwätzt sie alles aus, was ihr gerade unterkommt, ohne sich um die Wahrheit im geringsten zu kümmern. Deshalb darf er aber die große Menge nicht verachten, sondern soll durch Überzeugung der Ankläger, wenn sie auch die allerunvernünftigsten wären, den schlimmen Verdacht gleich bei seinem Entstehen ausrotten und überhaupt nichts unterlassen, was die ungünstige Meinung zu zerstören vermag. Wenn S. 213 aber trotz aller unserer Bemühungen die Tadler sich nicht überzeugen lassen wollen, dann allerdings ist es Zeit, sie zu verachten. Würde jemand durch solche Vorkommnisse gleich sich niederdrücken lassen, dann wäre er auch nicht mehr imstande, etwas Tüchtiges und Hervorragendes zu leisten. Denn Niedergeschlagenheit und fortwährende Sorgen vermögen die Kraft der Seele zu brechen und diese in den Zustand äußerster Schwachheit zu versetzen.
Der Priester muß also gegen seine Untergebenen so gesinnt sein, wie ein Vater gegen ganz unmündige Kinder. Gleichwie wir uns nicht darum kümmern, ob letztere mutwillig sind, um sich schlagen und jammern, aber auch uns nichts darauf einbilden, wenn sie uns anlächeln und sonst ihrer Freude Ausdruck geben, so dürfen wir uns auch nicht ob der Lobsprüche der großen Menge aufblähen noch uns durch ihren unberechtigten Tadel niederdrücken lassen. Das ist allerdings schwer, geliebter Freund, ja ich möchte meinen, wohl gar unmöglich. Denn sich nicht freuen, wenn man gelobt wird, ich weiß nicht, ob einem Menschen das jemals gelungen ist. Freut man sich aber darüber, so ist es selbstverständlich, daß man auch darnach strebt, des Lobes teilhaftig zu werden. Und strebt man darnach, so ist es auf jeden Fall ganz natürlich, daß man beim Ausbleiben der Lobeserhebungen mißmutig und betrübt wird4. Wie diejenigen, welche ihr ganzes Glück am Reichsein finden, sich gedrückt fühlen, wenn sie in Armut geraten, und wie die, welche ein üppiges Leben gewohnt sind, eine einfache Lebensweise nicht wohl ertragen können, so ergeht es auch denen, die auf Lobsprüche erpicht sind. Sie gehen seelisch zugrunde, gleich als ob sie geistigen Hunger litten, und zwar nicht nur, wenn sie ohne Grund getadelt, sondern auch, wenn sie nicht beständig gelobt werden, insbesondere dann, wenn sie gar in Lobsprüchen aufgezogen worden oder wenn sie hören, wie man andere lobt. Nun denn, wie viele Beschwerden und S. 214 wie großen Kummer meinst du, wird wohl der auf sich nehmen müssen, der mit dieser Begierde als Lehrer sich auf den Kampfplatz wagt? So wenig das Meer jemals ohne Wellen zu sehen ist, so wenig wird seine Seele ohne Sorgen und Betrübnis sein.
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Ich folge hier gerne der Auffassung und Übersetzung von Wohlenberg. Mit Seltmann und Mitterrutzner unter „βασκανία“ und „φθόνος“ den „bewußten und böswilligen Neid" zu verstehen, den also der Bischof unbeachtet lassen solle, geht um so weniger an, als in den unmittelbar folgenden Ausführungen die Forderung erhoben wird, den „ἄκαιροι κατηγορίαι“ entgegenzutreten, die doch eher verachtet werden könnten als „bewußter und böswilliger Neid". ↩
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Die neueren Ausgaben von Nairn, Bengel, Seltmann ziehen die Lesart „κακηγορία, üble Nachrede“ der Form „κατηγορία“, die sich bei Savilius, Migne etc. findet, vor. Inhaltlich wird zwischen beiden Ausdrücken kein eigentlicher Unterschied sein. ↩
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„Ἐκλαλεῑν“; manche Ausgaben lesen „ἐγκαλεῑν, Vorwürfe erheben". ↩
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Manche Manuskripte setzen zu „ἀνιᾶσθαι καὶ ἀλύειν“ noch „λυπεῑσθαι καὶ ἐκκλίνειν“ bei, was jedenfalls als eine Glosse zu betrachten ist. ↩
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Treatise concerning the christian priesthood
4.
To what else ought he then to be indifferent? Slander and envy. Unseasonable evil speaking, 1 however (for of course the Bishop undergoes some groundless censure), it is well that he should neither fear nor tremble at excessively, nor entirely pass over; but we ought, though it happen to be false, or to be brought against us by the common herd, to try and extinguish it immediately. For nothing so magnifies both an evil and a good report as the undisciplined mob. For accustomed to hear and to speak without stopping to make inquiry, they repeat at random everything which comes in their way, without any regard to the truth of it. Therefore the Bishop ought not to be unconcerned about the multitude, but straightway to nip their evil surmisings in the bud; persuading his accusers, even if they be the most unreasonable of all men, and to omit nothing which is able to dispel an ill-favored report. But if, when we do all this, they who blame us will not be persuaded, thenceforward we should give them no concern. Since if any one be too quick to be dejected by these accidents, he will not be able at any time to produce anything noble and admirable. For despondency and constant cares are mighty for destroying the powers of the mind, and for reducing it to extreme weakness. Thus then must the Priest behave towards those in his charge, as a father would behave to his very young children; and as such are not disturbed either by their insults or their blows, or their lamentations, nor even if they laugh and rejoice with us, do we take much account of it; so should we neither be puffed up by the promises of these persons nor cast down at their censure, when it comes from them unseasonably. But this is hard, my good friend; and perhaps, methinks, even impossible. For I know not whether any man ever succeeded in the effort not to be pleased when he is praised, and the man who is pleased at this is likely also to desire to enjoy it, and the man who desires to enjoy it will, of necessity, be altogether vexed and beside himself whenever he misses it. For as they who revel in being rich, when they fall into poverty are grieved, and they who have been used to live luxuriously cannot bear to live shabbily; so, too, they who long for applause, not only when they are blamed without a cause, but when they are not constantly being praised, become, as by some famine, wasted in soul, particularly when they happen themselves to have been used to praise, or if they hear others being praised. He who enters upon the trial of preaching with desires of this kind, how many annoyances and how many pangs dost thou think that he has? It is no more possible for the sea to be without waves than that man to be without cares and grief.
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kakegoria--if kategoria be read, "accusation" will be the meaning. ↩