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Über das Priestertum (BKV)
KAPITEL VI.
Siehst du, bester Freund, daß gerade der tüchtigste Redner größeren Fleiß aufwenden muß! Außer dem Fleiße muß er auch eine solche Langmut besitzen, wie sie alle die nicht brauchen, die ich dir vorhin aufgezählt habe. Denn viele Leute treten fortwährend ungerechterweise und unüberlegt gegen ihn auf; und obwohl sie ihm nichts anderes vorzuwerfen haben, als daß er bei jedermann in hohem Ansehen stehe, verfolgen sie ihn mit ihrem Hasse. Mit edlem Gleichmut muß er deren bittere Mißgunst ertragen. Da sie ihren verdammenswerten Hass, den sie ohne Grund in sich ansammeln, nicht zu verbergen vermögen, so schimpfen, tadeln und verleumden sie heimtückischerweise und begehen S. 216 auch öffentlich Gemeinheiten. Eine Seele aber, die gleich in jedem einzelnen solcher Fälle sich grämen und aufgebracht werden wollte, würde bald vor Kummer zugrunde gehen. Ja, sie rächen sich an ihm nicht nur in eigener Person, sondern suchen dies auch durch andere zu tun. Nicht selten greifen sie nämlich irgendeinen unfähigen Redner heraus, überhäufen ihn mit Lobsprüchen und bewundern ihn über die Maßen. Die einen handeln so aus Unwissenheit1, andere aus Unwissenheit mit Neid gepaart, demnach nicht etwa um den unfähigen Redner als bewundernswert hinzustellen, sondern um den Ruhm des fähigen zunichte zu machen.
Ein tüchtiger Redner hat jedoch nicht nur wider solch einzelne Gegner Kämpfe zu bestehen, sondern auch oft wider den Unverstand eines ganzen Volkes. Ist es doch unmöglich, daß die gottesdienstliche Versammlung aus lauter gebildeten Leuten besteht; vielmehr verhält es sich so, daß der größte Teil der Gemeindeglieder sich aus Ungebildeten zusammensetzt, daß zwar manche urteilsfähiger sind als die große Menge, aber doch ihrerseits wieder hinter denen, die eine Predigt wirklich zu beurteilen vermögen, weit mehr zurückstehen, als hinter ihnen die übrigen alle2. Da demnach zur Not3bloß einer oder der andere dasitzt, dem die fragliche Urteilsfähigkeit zu eigen ist, so kann es nicht ausbleiben, daß der beste Redner oft den wenigsten Beifall davonträgt, ja bisweilen gar ohne jegliches Lob davongehen muß. Gegen solch unordentliches Benehmen muß er seinerseits mit Hochherzigkeit ausgestattet sein und denen, die aus Unverstand so vorgehen, verzeihen, diejenigen aber, welche aus Neid so etwas in Szene setzen, S. 217 als unglückselige und bedauernswerte Leute bemitleiden. Auch darf er nicht annehmen, daß sein Rednertalent durch das eine oder andere Verhalten beeinträchtigt worden sei. So darf auch ein Meister in der Malerei, welcher über alle anderen in seiner Kunst hervorragt, wenn er sieht, daß Leute, die von Kunst nichts verstehen, sich über ein von ihm mit größter Sorgfalt gemaltes Bild lustig machen, nicht kleinmütig werden und um des Urteils der Unwissenden willen sein Gemälde für schlecht halten. Umgekehrt darf ihm freilich ebenso wenig ein Bild, das wirklich unbedeutend ist, als ausgezeichnet und seiner besonderen Liebe wert erscheinen, weil es bei Nichtfachleuten außerordentliche Bewunderung erregte.
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„ἀμαθια“. Manche Ausgaben lesen „μανια, Wahnwitz“. ↩
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,.οἱ λοιποὶ πάντες“; das sind wieder die ganz Ungebildeten, ἰδιῶται. — Chrysostomns nimmt also drei Klassen von Gemeindegliedern an: eine erste, die imstande ist, eine Predigt kritisch zu beurteilen (οἱ λόγους κρῖναι δυνάμενοι); eine zweite, die das nicht vermag, aber doch als die der verständigeren, πσυνετὠτεροι, bezeichnet wird, im Gegensatze zur dritten Klasse der völlig Ungebildeten, ἰδιῶται, welche die bei weitem große Mehrzahl bilden. ↩
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„μόλις“. Manche Ausgaben lesen „μόνον, nur“. ↩
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Treatise concerning the christian priesthood
6.
Thou seest, my excellent friend, that the man who is powerful in preaching has peculiar need of greater study than others; and besides study, of forbearance also greater than what is needed by all those whom I have already mentioned. For thus are many constantly springing up against him, in a vain and senseless spirit, and having no fault to find with him, but that he is generally approved of, hate him; and he must bear their bitter malice nobly, for as they are not able to hide this cursed hatred, which they so unreasonably entertain, they both revile, and censure, and slander in private, and defame in public, and the mind which has begun to be pained and exasperated, on every one of these occasions, will not escape being corrupted by grief. For they will not only revenge themselves upon him by their own acts, but will try to do so by means of others, and often having chosen some one of those who are unable to speak a word, will extol him with their praises and admire him beyond his worth. Some do this through ignorance alone, 1 some through ignorance and envy, in order that they may ruin the reputation of the other, not that they may prove the man to be wonderful who is not so, and the noble-minded man has not only to struggle against these, but often against the ignorance of the whole multitude; for since it is not possible that all those who come together should consist of learned men, but the chances are that the larger part of the congregation is composed of unlearned people, and that even the rest, who are clearer headed than they, fall as far short of being able to criticize sermons as the remainder again fall short of them; so that only one or two are seated there who possess this power; it follows, of necessity, that he who preaches better than others carries away less applause, and possibly goes home without being praised at all, and he must be prepared to meet such anomalies nobly, and to pardon those who commit them in ignorance, and to weep for those who acquiesce in them on account of envy as wretched and pitiable creatures, and not to consider that his powers have become less on either of these accounts. For if a man, being a pre-eminently good painter, and superior to all in his art, sees the portrait which he has drawn with great accuracy held up to ridicule, he ought not to be dejected, and to consider the picture poor, because of the judgment of the ignorant; as he would not consider the drawing that is really poor to be something wonderful and lovely, because of the astonishment of the inartistic.
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Another reading is mani<, infatuation. ↩