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Über das Priestertum (BKV)
KAPITEL X.
Brauchst du denn jetzt, da du einsam für dich allein lebst, frug [Basilius], keinerlei Mühsalen auf dich zu nehmen1 und hast du gar keine Sorgen?
Allerdings, erwiderte ich, habe ich solche auch jetzt. Wie wäre es auch möglich, daß ein Mensch, solange er in diesem mühevollen Leben weilt, von Sorgen und Kämpfen verschont bliebe? Es ist jedoch nicht einerlei, auf das unermeßliche Meer verschlagen zu werden oder über einen Fluß zu fahren. So groß ist nämlich der Unterschied zwischen beiderlei Sorgen. Zwar wünschte ich auch jetzt, und dies tatsächlich mit innigem Verlangen, wenn äußerst möglich, anderen nützlich sein zu können; falls ich aber keinem Nebenmenschen zu helfen vermag, so werde ich mich damit begnügen, wenigstens mich selbst, soweit es mir gelingt, zu retten und aus den Sturmeswogen herauszureißen.
Hältst du das demnach für etwas Großes, unterbrach er mich, und glaubst du überhaupt, selig zu werden, ohne dem Nebenmenschen von Nutzen gewesen zu sein?
Das hast du gut und treffend bemerkt, antwortete ich. Denn auch ich selber kann nicht glauben, daß der selig zu werden vermag, der sich gar nicht um das Heil seines Nächsten bemüht. Hat es doch auch jenem Be- S. 239 dauernswerten nichts geholfen, daß er sein Talent nicht verminderte, sondern weil er es nicht vermehrte und es nicht verdoppelt einbrachte, hat er es vollständig eingebüßt2. Gleichwohl halte ich dafür, daß mich eine gelindere Strafe treffen wird, wenn mir nur der Vorwurf gemacht werden kann, daß ich nicht andere gerettet habe, als wenn3 ich mich selbst und andere zugleich ins Verderben gestürzt hätte und so trotz der empfangenen hohen Ehrenstellung noch viel schlimmer daran wäre. Denn jetzt glaube ich, daß die Größe meiner Strafe nur der Größe meiner eigenen Sünden entsprechen wird; hätte ich aber das Vorsteheramt angenommen, so würde ich nicht bloß eine zwei- und dreifache, sondern eine gar vielfache Strafe zu gewärtigen haben, weil ich sowohl vielen Ärgernis gegeben, als auch nach Empfang einer solchen Würde den Gott, der mich so sehr ausgezeichnet, beleidigt hätte.
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Nairn, Seltmann, Bengel lesen: ,,οὐ δεῖ σοι πόνων“. In älteren Ausgaben, so auch bei Migne, heißt es: „οὐδείς σοι τῶν πόνων τούτων ἀγὠν“. ↩
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Siehe Matth. 25, 24 ff. ↩
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Ich kann hier nicht dem Wortlaut von Nairn, Seltmann, Bengel folgen, die „ἢ διὰ τί“ lesen, sondern halte die Konstruktion „ἢ εἰ“, wie sie sich in den älteren Ausgaben, so bei Savilius, Montfaucon, Migne, findet, für richtiger. ↩
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Treatise concerning the christian priesthood
10.
Basil: And now, art thou free from toils? hast thou no cares while thou livest by thyself?
Chrysostom: I have indeed even now. For how is it possible for one who is a man, and who is living this toilsome life of ours, to be free from cares and conflict? But it is not quite the same thing for man to plunge into a boundless ocean and to cross a river, so great is the difference between these cares and those. For now, indeed, if I were able to become serviceable to others, I should wish it myself, and this would be a matter of prayer with me. But if it is not possible to help another, yet if it be practicable to save and rescue myself from the waves, I shall be contented.
Basil: Dost thou then think this to be a great thing? and dost thou fancy that thou wilt be saved when thou art not profitable to any other?
Chrysostom: Thou hast spoken well and nobly, for I am not myself able to believe that it is possible for one who has not labored for the salvation of his fellow to be saved, nor did it at all profit the wretched man in the Gospel that he had not diminished his talent; but he perished through not increasing it and bringing it doubled to his master. 1 Nevertheless, I think that my punishment will be milder when I am called to account, because I have not saved others, than it would be if I should destroy myself and others too by becoming far worse after so great an honor. For now I trust that my chastisement will be proportioned to the amount of my sins, but after receiving this office, I fear it would be not double, or threefold, but manifold, because I should have caused very many to stumble, and after additional honor should have offended the God who honored me.
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Matt. xxv. 24. ↩