KAPITEL II.
Darum muß die Seele des Priesters reiner sein als selbst die Sonnenstrahlen, auf daß ihn nicht der Hl. Geist hilflos im Stiche lasse, damit er vielmehr sprechen könne; "Ich lebe, doch nicht mehr ich, sondern Christus lebt in mir"1. Wenn die Bewohner der Einöden, die der Stadt und dem Markte und dem dortigen Trubel entronnen sind und immerfort den Hafen und die Windstille genießen, sich nicht mit der Sicherheit, die diese Lebensweise an sich schon bietet, zufrieden geben wollen, sondern noch zahllose andere Vorsichtsmaßregeln treffen, indem sie sich von allen Seiten abschließen und all ihr Reden und Tun sorgfältigst überlegen, um mit Zuversicht und lauterer Reinheit, soweit es menschlicher Kraft möglich ist, Gott nahen zu können: wie viele Anstreng- S. 223 ung und Gewalt wird da wohl erst der Priester aufwenden müssen, damit er seine Seele vor jeder Befleckung zu bewahren und die Schönheit seines Geistes unversehrt zu erhalten vermöge? Ist ihm doch eine viel größere Reinheit vonnöten als jenen [den Einsiedlern]; und wer einer größeren Reinheit bedarf, ist auch mehr Gelegenheiten ausgesetzt, die ihn zu besudeln drohen, wenn er nicht durch beständige Besonnenheit und außerordentliche Aufmerksamkeit seine Seele für solche Gefahren unzugänglich macht. Denn ein schönes Gesicht, weichliche Bewegungen, ein gezierter Gang, eine zärtliche Stimme, untermalte Augen, geschminkte Wangen, künstliche Haarfrisuren, gefärbte Haare, prächtige Gewänder, schimmernder Goldschmuck, funkelnde Edelsteine, wohlriechende Salben und all das andere Blendwerk, dem das weibliche Geschlecht geflissentlich zugetan ist, ist wohl geeignet, eine Seele zu beunruhigen, die nicht durch strenge Übung der Selbstbeherrschung sich dagegen gewappnet hat.
Allerdings, daß durch diese Dinge Verwirrung angerichtet wird, ist keineswegs zu verwundern; daß aber der Teufel auch durch das gerade Gegenteil die Menschenseelen zu treffen und niederzustrecken vermag, das muß unser höchstes Staunen erregen und versetzt uns in die größte Ratlosigkeit. Denn schon manche, welche den genannten Netzen entgangen waren, ließen sich durch ganz entgegengesetzte Fallstricke gefangen nehmen. Ein verwahrlostes Antlitz, verwildertes Haar, schmutzige Kleidung, ungekünstelte Körperhaltung, gewöhnliches Benehmen, schmucklose Sprache, ungezierter Gang, rauhe Stimme, ein Leben in Dürftigkeit und Mißachtung, schutzlos und in Vereinsamung, all das hat nämlich manchen, der es sah, zunächst mit Mitleid erfüllt, dann aber ins äußerste Verderben gestürzt.
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Gal. 2, 20. ↩