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Works John Chrysostom (344-407) In epistula ad Romanos commentarius Kommentar zum Briefe des hl. Paulus an die Römer (BKV)
FÜNFZEHNTE HOMILIE: Kap. VIII, V. 12—27.

10.

Ja eigentlich habe ich damit noch gar nichts gesagt. Kein menschliches Wort ist zureichend, um die Größe des Unterschiedes zu schildern, der zwischen der Zukunft und der Gegenwart besteht. Was die Dauer betrifft, ist an einen Unterschied gar nicht zu denken. Denn wie sollte man ein Leben ohne Ende mit dem gegenwärtigen vergleichen können? Der Unterschied zwischen jenem Frieden und dem im Diesseits ist so groß wie der zwischen Frieden und Krieg. Und was die Unvergänglichkeit betrifft, so ist sie weit vortrefflicher wie eine reine Perle im Vergleich zu einem Lehmklumpen; oder man müßte vielmehr sagen, der Unterschied läßt sich überhaupt nicht schildern. Denn wenn ich auch die künftige Schönheit der Leiber mit der des Sonnenstrahles vergleiche oder mit dem Leuchten des Blitzes, so habe ich noch lange nichts gesagt, was an jenen Glanz heranreichte. Wieviel Geld, wieviel Leiber, ja wieviel Seelen sogar sollte man nicht hingeben für etwas so Großes? Wenn dich jemand in einen königlichen Palast einführte und verschaffte dir die Gunst, dich mit dem Könige angesichts aller zu unterhalten, mit ihm zu speisen und zu wohnen, du würdest dich für den glücklichsten Menschen schätzen. Wenn du aber zum Himmel aufsteigen, vor dem Könige des Weltalls stehen, die Engel an Glanz überstrahlen und in den Genuß jener unaussprechlichen Herrlichkeit gelangen sollst, da besinnst du dich, wenn es gilt, Geld dafür hinzugeben, anstatt, wie du solltest, gegebenenfalls auch das Leben hinzuopfern, vor Freude zu jubeln, zu hüpfen, wie auf Flügeln dich emporzuschwingen? Um ein öffentliches Amt zu erlangen, das dir Gelegenheit gibt, dir unredlich Geld zu machen — denn Gewinn möchte ich S. b301 es nicht nennen —, gibst du dein Vermögen hin, borgst dir noch von andern, ja hast kein Bedenken, wenn es nötig ist, sogar Weib und Kinder zum Pfand zu geben. Wenn dir aber die Herrschaft des Himmels angeboten wird, ein Amt, in dem es keinen Nachfolger gibt, wenn dir Gott nicht irgendeinen Erdenwinkel, sondern den ganzen Himmel in Besitz zu nehmen befiehlt, da zauberst du und suchst Ausflüchte und hältst deinen Geldsack fest und bedenkst nicht, wenn der Teil des Himmels, welcher uns zugewendet ist, schon so schön und wonnevoll ist, wie erst der Teil darüber, der Himmel des Himmels sein muß.

Aber weil es vorläufig nicht möglich ist, mit körperlichen Augen das anzuschauen, so steig in Gedanken hinauf und stelle dich über den sichtbaren Himmel. Schau auf zu dem Himmel, der darüber liegt, in die unermeßliche Höhe, in das erstaunliche Lichtmeer, zu den Scharen der Engel, zu den unübersehbaren Reihen der Erzengel, zu den andern körperlosen Mächten. Dann steige wieder herab in Gedanken zur Erde, mach dir ein Bild von den Dingen bei uns. Entwirf dir ein Gemälde von dem Prunk eines irdischen Königs: Ein Gefolge von goldstrotzenden Männern, ein Gespann weißer Maultiere mit goldblinkendem Geschirr, mit Edelsteinen ausgelegte Wagen, schneeweiße Wagenkissen, Goldplatten als Wagenverzierung, Drachenfiguren in seidene Decken eingewirkt, Schilde mit goldenen Buckeln, von diesen herablaufende, mit Edelsteinen besetzte Riemen, goldstrotzende Rosse und goldene Zügel. Wenn wir aber den König selbst erblicken, haben wir kein Auge mehr für all diese Dinge. Dann fesselt uns einzig und allein seine Erscheinung: Sein Purpurmantel, das Diadem, sein Sitz, die Spange, die Schuhe, sein strahlender Blick. Das alles zusammen führe dir bis ins kleinste vor dem geistiges Auge, dann richte aber deine Gedanken wieder davon ab nach oben auf jenen furchtbaren Tag, da Christus erscheinen wird. Dann wirst du nicht Maultiergespanne zu sehen bekommen, auch nicht goldene Wagen, nicht Drachenfiguren und Schilde, sondern Vorgänge, so schaudervoll und furchterregend, daß selbst die himmlischen Mächte erbeben werden. Es heißt ja. S. b302 „Die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden“ 1. Dann öffnet sich der ganze Himmel, die Tore des Himmelsgewölbes tun sich auf, der eingeborene Sohn Gottes, steigt herab, umgeben nicht von zwanzig oder hundert Speerträgern, sondern von Tausenden und Abertausenden von Engeln, Erzengeln, Cherubim, Seraphim und andern himmlischen Mächten. Da ist alles voll Schrecken und Furcht; die Erde öffnet sich, und was an Menschen war von Adam an bis zu jenem Tage, steigt hervor, wird entrückt und stellt sich auf vor Christus, der in einem solchen Glanz erscheint, daß Sonne und Mond und jegliches Licht vor diesem Glanz erblassen. Welches menschliche Wort ist imstande, jene Seligkeit, jenen Glanz, jene Herrlichkeit zu schildern! Ach, meine Seele, ich muß weinen und laut seufzen, wenn ich bedenke, welches Glückes wir verlustig werden, welche Seligkeit wir verlieren — das gilt auch mir —, wenn wir nicht etwas Großes und Bewundernswertes leisten! Es rede mir niemand von der Hölle; denn solcher Herrlichkeit verlustig zu gehen, ist schlimmer als die ganze Hölle; aus diesem Festsaale ausgewiesen zu werden, ist schlimmer als tausend Höllenstrafen. Und dennoch kleben wir an dem Irdischen und merken nicht des Teufels List, der uns Kleines anbietet und uns dafür Großes nimmt, der uns eine Erdscholle reicht, um uns dafür Gold oder vielmehr den Himmel zu rauben, der uns einen Schatten vormacht, um uns die Wahrheit zu stehlen, der uns mit Traumbildern täuscht — denn ein solches ist der irdische Reichtum —, um uns, wenn jener Tag kommt, als bettelarm dastehen zu lassen.


  1. Matth. 24, 29. ↩

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