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Works John Chrysostom (344-407) In epistula ad Romanos commentarius Kommentar zum Briefe des hl. Paulus an die Römer (BKV)
SECHZEHNTE HOMILIE: Kap. VIII, V. 28—39.

6.

Entsetzen fürwahr sollte uns darum alle fassen, die wir nicht einmal um Gottes willen das Geld gering achten, oder besser gesagt, die wir nicht einmal um unserer selbst willen das Geld gering achten. Paulus erduldete mannhaft alles um Christi willen, nicht um des Himmelreiches willen, nicht seiner eigenen Ehre wegen, sondern einzig aus Liebe zu ihm. Uns dagegen vermag weder Christus noch das, was er uns zu geben S. d16 hat, von den irdischen Dingen loszureißen, sondern wie Schlangen, Vipern und Schweine und derlei Gezücht wälzen wir uns im Schlamm. Ja fürwahr, was haben wir voraus vor jenen Tieren, wenn wir trotz so herrlicher Beispiele immer noch den Blick nach unten gesenkt halten und es nicht über uns gewinnen, nur ein wenig zum Himmel aufzuschauen, Gott hat seinen Sohn für dich dahingegeben, und du gibst ihm nicht einmal ein Stück Brot, ihm, der sich für dich dahingegeben, für dich geopfert hat! Deinetwegen hat der Vater seiner nicht geschont — und er war in Wahrheit sein Sohn; du aber siehst ihn vergehen vor Hunger und bleibst kalt. Und doch will er nur, daß du ihm etwas von dem gibst, was sein Eigentum ist, daß du es ihm um deiner selbst willen gibst. Was kann es Schlimmeres geben als solche Verkehrtheit? Deinetwegen ist er hingegeben, deinetwegen geopfert worden, deinetwegen irrt er hungernd umher; du sollst ihm etwas geben von dem, was ihm gehört, um selbst Nutzen davon zu haben, und du gibst ihm nichts! Müssen denn das nicht Menschen sein, gefühlloser als Steine, die solcher Tatsachen ungeachtet bei ihrer teuflischen Hartherzigkeit verharren? Ach, dem Herrn war es nicht genug, den Tod am Kreuze zu leiden; er wollte auch noch arm werden und ein Fremdling und heimatlos und nackt, er wollte in den Kerker geworfen werden und Krankheit ertragen, um dich vielleicht wenigstens so zu gewinnen. Wenn du mir schon keinen Dank weißt, daß ich für dich gelitten habe, so habe wenigstens Erbarmen mit meiner Armut. Und wenn du kein Mitleid haben willst mit meiner Armut, so laß dich doch durch meine Krankheit rühren, laß dich erweichen durch meine Gefangenschaft. Und wenn dich auch das nicht menschenfreundlich stimmt, so bedenke doch das geringe Maß der Forderung. Es ist nichts Großes, was ich verlange, nur ein Stückchen Brot, ein Obdach, ein paar Worte des Trostes! Und bleibst du da noch ungerührt, so sei doch gut tun des Himmelreiches, um der Belohnung willen, die ich dir verspreche. Auch darauf nimmst du keine Rücksicht? So laß dich erweichen durch den Gedanken an die menschliche Natur (die ich mit dir gemeinsam habe), wenn du mich nackt siehst, S. d17 und erinnere dich jener Nacktheit, die ich für dich am Kreuze hängend ertrug; und wenn du auch das nicht willst, so wenigstens der Blöße, die ich jetzt in der Person der Armen leide. Ich litt damals bittere Not für dich, ich erleide sie auch jetzt für dich, um dich auf die eine oder andere Weise zum Mitleid zu bewegen. Ich fastete einst für dich, nun hungere ich wieder für dich. Am Kreuze hängend litt ich Durst für dich, jetzt dürste ich in der Person der Armen, um dich durch das eine wie durch das andere an mich zu ziehen und dich zur Liebe zu bewegen zu deinem eigenen Heil. Du bist mir zwar tausendfache Vergeltung schuldig für meine Wohltaten, aber ich fordere sie nicht von dir wie von einem Schuldner, sondern ich lohne sie dir wie eine mir freiwillig gereichte Gabe und schenke dir das Himmelreich als Gegenwert für diese kleinen Dinge. Ich sage ja nicht: Mach meiner Armut ein Ende; auch nicht: Schenk mir Reichtum, obzwar ich deinetwegen arm geworden bin, sondern was ich verlange, ist nichts als ein Stücklein Brot, ein Kleidungsstück, eine kleine Erquickung in meinem Hunger. Und wenn ich im Kerker liege, verlange ich ja nicht, daß du meine Ketten lösest und mich befreiest, sondern ich verlange nur eines, daß du mich, der ich für dich gefesselt bin, ansehen kommest; das ist mir genug Liebe, und bloß dafür schenke ich dir den Himmel. Ich habe dich freilich aus den schwersten Fesseln befreit, aber ich bin damit zufrieden, wenn du mich nur im Gefängnis besuchen wolltest. Wohl könnte ich dir ohne alles das die himmlische Krone geben, aber ich will sie dir schuldig sein, damit du sie mit einer Art Selbstbewußtsein tragest. Eben aus diesem Grunde, obgleich ich mich selbst ernähren könnte, gehe ich als Bettler herum, stelle mich an die Türen und strecke die Hand aus. Ich möchte aber so gern von dir gespeist werden; denn ich liebe dich gar zu sehr. Darum komme ich auch gerne zu dir zu Tisch, wie es so unter Freunden Brauch ist, und bin stolz darauf. Und einst auf jener Bühne, auf der die ganze Menschheit anwesend sein wird, werde ich es laut verkünden, daß es alle hören, und ich werde auf dich hinweisen als auf meinen Ernährer. Wenn wir von jemandem Nahrung bekom- S. d18 men, so schämen wir uns und suchen es geheim zu halten; der Sohn dagegen, weil er uns so sehr liebt, verkündet einst, ob auch wir schweigen, was wir ihm getan haben, laut vor aller Welt unter vielen Lobsprüchen und schämt sich nicht zu sagen, daß wir ihn in seiner Nacktheit bekleidet und in seinem Hunger gespeist haben… 1

Das alles wollen wir uns zu Gemüte führen und nicht bei bloßen Beifallsbezeugungen stehen bleiben, sondern das Gesagte auch in Tat umsetzen. Denn was hilft euer Händeklatschen und Beifallrufen? Nur eines verlange ich von euch, daß ihr durch Taten den Beweis (für euer Ergriffensein durch meine Worte) liefert, daß ihr in eurem Handeln meinen Ermahnungen Folge leistet. Das ist für mich das schönste Lob, für euch wahrer Gewinn, das bringt mir mehr Ehre als eine Königskrone. So geht denn hin und flechtet euch und mir einen solchen Kranz durch die Hand der Armen, damit wir in diesem Leben frohe Hoffnung haben, und wenn wir einst hinübergehen ins andere Leben, der ewigen Güter in ihrer ganzen Fülle teilhaftig werden. Mögen diese uns allen zuteil werden durch die Gnade und Liebe unseres Herrn Jesus Christus, mit welchem dem Vater zugleich mit dem Hl. Geiste sei Ruhm, Herrlichkeit und Ehre jetzt und allezeit bis in alle Ewigkeit. Amen. S. d19


  1. Aus dem folgenden ist zu ersehen, daß sich nach diesen Worten ein lautes Beifallsklatschen der Zuhörerschaft erhob, ein damaliger Brauch, den wir vielfach in der altchristlichen Literatur bezeugt finden. Vgl. J. Zellinger, Der Beifall in der altchristl. Predigt. Festgabe für Alois Knöpfler, Freiburg i. B. 1917). ↩

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Commentaire sur l'épître aux Romains Compare
Kommentar zum Briefe des hl. Paulus an die Römer (BKV)
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