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Werke Johannes Chrysostomus (344-407) In epistula ad Romanos commentarius Kommentar zum Briefe des hl. Paulus an die Römer (BKV)
SIEBZEHNTE HOMILIE: Kap. IX, V. 1—33.

1.

Kap. IX, V. 1—33.

V. 1: „Ich sage die Wahrheit, bei Christus, und lüge nicht; zugleich bezeugt es mir mein Gewissen, beim Hl. Geiste.“

Habt ihr nicht das Empfinden gehabt, daß ich euch in meinem letzten Vortrage Großes, ja die menschliche Natur geradezu Übersteigendes von der Liebe des hl. Paulus zu Christus gesagt habe? Und in der Tat, es waren ihrer Natur nach große Dinge, die sich kaum in menschliche Worte fassen lassen. Und doch überragt die Stelle, die ich heute zu behandeln habe, die vorausgehende noch bei weitem, so viel wie das Wort des Apostels mein eigenes. Ich hätte es neulich nicht für möglich gehalten, daß etwas noch Erhabeneres kommen könnte; doch die Stelle, die ich euch soeben vorgelesen habe, kommt mir noch viel großartiger vor als alles Vorausgegangene. Dessen war sich auch der hl. Paulus bewußt, und er bringt dies in der Einleitung dieses Abschnittes zum Ausdruck. Wie jemand, der im Begriffe steht, etwas ganz Außerordentliches zu sagen, und bei vielen seiner Zuhörer auf Unglauben zu stoßen fürchtet, beteuert er im voraus die Wahrheit dessen, was er sagen will. So pflegt man es zu machen, wenn man etwas sagen will, was manchen unglaublich vorkommen könnte, wovon man aber selbst voll überzeugt ist. „Ich sage die Wahrheit“, spricht er, „bei Christus und lüge nicht; zugleich bezeugt es mir mein Gewissen“,

V. 2: „daß ich große Trauer und unaufhörlichen Kummer in meinem Herzen trage.“

V. 3: „Ich wünschte, selbst anathema zu sein von Christus weg.“

— Was sagst du, Paulus? Von Christus, den du so sehr liebst, von dem dich (wie du sagtest) weder Himmel noch Hölle, weder Sichtbares noch Geistiges oder irgend etwas anderes soll scheiden können, von dem wünschest S. d20 du nun weg anathema zu sein? Was ist da geschehen? Bist du anderen Sinnes geworden? Hast du deine frühere Liebe aufgegeben? — O nein, antwortet er, fürchte nichts! Ich habe sie sogar noch gesteigert. Wieso wünschest du aber jetzt anathema zu sein, verlangst du also nach einer Scheidung, nach einer Trennung von Christus, bei der es kein Wiederfinden gibt? — Eben weil ich ihn so sehr liebe, antwortet er. — Aber sag’ mir, wie und auf welche Art? Das Ganze ist mir rätselhaft. — Zunächst wollen wir, wenn es beliebt, uns darüber klar zu werden suchen, was das heißt „anathema sein“; dann wollen wir den Apostel selbst darüber befragen und seine unaussprechliche, fast wahnsinnige Liebe betrachten. — Was heißt also „anathema sein“? Höre den Apostel, wie er an einer anderen Stelle spricht: „Wenn aber einer nicht liebt unsern Herrn Jesus Christus, der sei anathema“ 1, d. h. der werde ausgeschieden, der werde abgesondert von der Gemeinschaft. Wie nämlich ein anathema, d. i. ein Gott gemachtes Weihgeschenk, aus dem gewöhnlichen Gebrauch ausgeschieden wird und es niemand mit den Händen berühren, ja ihm nicht einmal nahe kommen darf, so belegt der Apostel hier im entgegengesetzten Sinne einen Menschen, der aus der kirchlichen Gemeinschaft ausgeschieden ist, mit demselben Namen; er bezeichnet ihn damit als einen von den übrigen Gläubigen Abgesonderten, aus ihrer Gemeinschaft Ausgestoßenen und verbietet allen auf das strengste, mit ihm Verkehr zu pflegen. Einem Weihgeschenk (ἀνάθεμα) wagt sich niemand zu nähern aus Ehrfurcht; von einem Ausgeschlossenen halten sich alle aus dem entgegengesetzten Grunde fern. Der Begriff der Absonderung ist in beiden Fällen der gleiche; es findet da wie dort eine Ausscheidung aus der großen Menge statt. Nur die Art der Ausscheidung ist nicht dieselbe, sondern es ist in beiden Fällen eine solche im gerade entgegengesetzten Sinne. In dem einen Falle hält man sich ferne als von einer Gott gehörigen Sache, im anderen Falle als von einem Gott Entfremdeten, einem aus der kirchlichen S. d21 Gemeinschaft Ausgestoßenen. Das wollte der Apostel ausdrücken, wenn er sagte: „Ich wünsche anathema zu sein von Christus weg.“ Er sagt auch nicht einfach: „ich wollte“, sondern mit noch stärkerer Betonung: „Ich wünschte“. Wenn du aber auch dann noch beunruhigt bist und auch diese Wendung noch zu schwach finden solltest, so fasse nicht bloß die Tatsache ins Auge, daß der Apostel von Christus getrennt sein wollte, sondern auch den Grund, warum er es wollte, und du wirst dann das Übermaß seiner Liebe erst recht erkennen. Es ist so wie mit der Beschneidung, die er (noch nach seiner Bekehrung) andern erteilte. Wenn wir nicht diese Tatsache allein ins Auge fassen, sondern auch den Grund, warum er die Beschneidung beibehielt, müssen wir ihn um so mehr bewundern. Ja, er vollzog nicht bloß die Beschneidung, sondern ließ sich auch das Haupt scheren und brachte Opfer dar. Und doch sagen wir deswegen nicht, er sei ein Jude gewesen, sondern rühmen gerade deswegen von ihm, er habe sich freigemacht vom Judentum und sei ein aufrichtiger Anhänger von Christus gewesen. Trotzdem er die Beschneidung übte und trotzdem er Opfer darbrachte, stempelst du ihn nicht zu einem Begünstiger des Judentums, sondern rühmst gerade deswegen von ihm, daß er dem Judentum ferne gestanden sei. Laß es dich also auch in gleicher Weise nicht beunruhigen, wenn du hörst, daß er darnach verlange, anathem zu sein, sondern preise ihn gerade deswegen, nachdem du den Grund kennen gelernt hast, warum er es wollte. Wenn wir nicht immer die Ursache der Handlungsweise ins Auge fassen, müssen wir auch den Elias einen Menschenmörder nennen, und den Abraham nicht bloß einen Menschenmörder, sondern sogar einen Kindesmörder; ebenso müssen wir den Phinees und den Petrus des Mordes zeihen. Ja, du kämest dazu, nicht bloß von den Heiligen, sondern von Gott, dem Herrn aller Dinge, selbst ganz Ungehöriges zu argwöhnen, wenn du diese Regel nicht befolgen wolltest. Damit wir also nicht in diesen Fehler verfallen, wollen wir immer erst die Ursache, die Absicht, die Zeit und alle andern Umstände, die eine Handlung rechtfertigen können, uns vor Augen führen und erst dann die Handlung S. d22 selbst untersuchen. So wollen wir es auch dieser heiligen Seele gegenüber halten. — Was war nun der Grund, (warum er seine Trennung von Christus wünschte)? Wieder sein geliebter Jesus. Nicht seinetwegen wollte er sie, sondern er sagte: „Ich wünschte anathem zu sein von ihm weg für meine Brüder.“ Darin liegt ein Zeugnis für seine Demut. Er will nicht den Anschein erwecken, als habe er damit etwas Großes von sich gesagt und Christus einen Gefallen erwiesen. Darum fügt er noch bei: „die ja Stammverwandte von mir sind“, um so seine hochherzige Gesinnung zu verbergen. Daß er aber alles das um Christi willen wollte, das kannst du aus den folgenden Worten heraushören. Nach den Worten: „die ja Volksgenossen von mir sind“, fährt er nämlich fort:

V. 4: „Denen die Kindschaft, die Herrlichkeit, der Bund, die Gesetzgebung, der Gottesdienst und die Verheißungen gehören“,

V. 5: „denen die Väter gehören und von denen dem Fleische nach Christus stammt, der da Gott ist über alle, hochgetobt in Ewigkeit. Amen.“


  1. 1 Kor. 16, 22. ↩

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