2.
Schäme dich also nicht, will er sagen, einer solchen Unterordnung! Denn Gott hat dieses Gebot gegeben, und er wird es strenge rächen an den Verächtern desselben. Wenn du ungehorsam bist, so wird dich nicht eine gewöhnliche, sondern eine recht schwere Strafe treffen. Da wird keine Widerrede gelten. Aber auch von selten der Menschen wirst du die ärgste Strafe zu erleiden haben, und niemand wird auf deiner Seite stehen. Auch Gott erzürnst du in noch höherem Maße. Das alles deutet der Apostel an mit den Worten:
„Die sich widersetzen, sprechen sich damit selbst ihr Urteil.“
Dann aber, nach der Erregung von Furcht, legt der Apostel den Vorteil der Sache dar und sucht durch (andere) Gründe zu überzeugen, indem er so spricht:
V. 3: „Denn die Obrigkeiten sind nicht ein Schreckgespenst für die guten Taten, sondern für die schlimmen.“
Nachdem der Apostel gegen seine Zuhörer einen schweren Hieb geführt und sie mit Entsetzen erfüllt hat, richtet er sie wieder auf; wie ein weiser Arzt reicht er ihnen eine lindernde Arznei, indem er zu ihrem Troste tragt: Was hast du Furcht? Was zitterst du? Droht sie etwa dem, der recht handelt? Ist sie etwa ein Schrecken für den, der sich um die Tugend bemüht? In diesem Sinne fährt er fort:
„Du willst nicht Furcht haben müssen vor der Obrigkeit? S. d165 (Gut.) dann tue das Gute, und du wirst (sogar) Lob ernten von ihr.“
— Siehst du, wie der Apostel seinen Zuhörer für die Obrigkeit einzunehmen sucht, indem er ihm vor Augen hält, daß sie ihm (gegebenenfalls) sogar Lob spende. Siehst du, wie er die üble Laune gegen sie zu beseitigen sucht?
V. 4: „Denn sie ist Gottes Dienerin zu deinem eigenen Besten.“
— So weit, will er sagen, ist sie entfernt, für dich ein Schreckgespenst sein zu wollen, daß sie dich sogar lobt; so weit ist sie entfernt, dir hinderlich sein zu wollen, daß sie sogar mit dir zusammenarbeitet. Wenn du demnach von ihr Lob und Hilfe hast, warum willst du dich ihr nicht unterordnen? Auch sonst macht sie dir die Übung der Tugend leichter, indem sie die Bösen bestraft und die Guten belohnt und ehrt und auf diese Weise zusammenarbeitet mit dem Willen Gottes; darum nennt er sie dessen Dienerin. Sieh nur! Ich rate Mäßigkeit an, und sie sagt dasselbe vermittelst der Gesetze; ich ermahne, man solle nicht geizig sein und nicht rauben, und sie sitzt über diese Dinge zu Gericht. Folglich ist sie unsere Mitarbeiterin und unsere Helferin und ist von Gott zu diesem Zwecke gesandt. Aus zweierlei Gründen also muß sie uns ehrwürdig sein: weil sie ihre Sendung von Gott hat und weil sie sie zu diesem Zwecke hat.
„Treibst du aber Schlimmes, dann fürchte dich!“
— Also nicht die Obrigkeit gibt Veranlassung zur Furcht, sondern unsere eigene Schlechtigkeit.
„Denn nicht umsonst trägt sie das Schwert.“
— Siehst du, wie der Apostel sie darstellt in voller Waffenrüstung, wie eine Kriegerin, zum Schrecken der Sünder?
„Denn Gottes Dienerin ist sie zur rächenden Vergeltung am Übeltäter.“
— Damit du nicht zurückschreckest, wenn du wieder von Strafe und Rache und Schwert hörst, wiederholt der Apostel, daß die Obrigkeit Gottes Gesetz zur Aus- S. d166 führung bringe. Was liegt daran, daß sie selbst dies nicht weiß? Gott hat es doch so eingerichtet. Wenn sie nun in Ausübung ihres Straf- und Rächeramtes Gottes Dienerin ist, indem sie die Tugend schützt und das Laster verjagt, wie Gott es will, warum widersetzest du dich ihr, da sie doch so viel Gutes veranlaßt und dein eigenes Wohl fördert? Gibt es doch viele Leute, die früher wegen der Obrigkeit die Tugend übten, später aber aus Gottesfurcht dazu gelangten. Auf weniger feinfühlige Menschen macht nämlich das Zukünftige nicht solchen Eindruck wie das Gegenwärtige. Da sie also die Seele vieler durch Furcht und durch Anerkennungen vorbereitet, so daß sie für die christliche Lehre empfänglicher werden, wird ihr mit Recht der Titel „Gottes Dienerin“ gegeben.
V. 5: „Deswegen ist es eine Notwendigkeit, sich unterzuordnen, nicht bloß wegen der Bestrafung, sondern auch wegen des Gewissens.“
— Was heißt: „nicht bloß wegen der Bestrafung“? Nicht bloß, will der Apostel sagen, weil du dich Gott widersetzest, wenn du dich nicht unterwirfst, und weil du dir große Übel zuziehst sowohl von Seiten Gottes als auch von Seiten der Obrigkeit, sondern auch weil diese dir große Wohltaten erweist, indem sie für Ruhe und Ordnung im Staate sorgt. Denn unzählig viel Gutes kommt den Gemeinwesen von den Obrigkeiten. Schafft man sie ab, so ist es um alles geschehen. Weder Stadt noch Land, weder privates noch öffentliches Leben noch irgend etwas anderes kann bestehen, sondern alles geht dann drunter und drüber, die Stärkeren fressen die Schwächeren auf. Wenn darum auf den Ungehorsam auch nicht Strafe folgte, so müßtest du dich doch auch unterordnen, willst du nicht als ein gewissenloser, gegen seinen Wohltäter undankbarer Mensch erscheinen.
V. 6: Darum heißt es auch: Zahlt Steuern! Denn sie sind Gottes Beamte und haben eben damit ihre schwere Mühe.“
— Ohne im einzelnen die Wohltaten aufzuzählen, die den Gemeinwesen von den Obrigkeiten kommen, wie S. d167 Ordnung und Ruhe sowie die Dienste der Soldaten und Beamten, beleuchtet er das Ganze einzig und allein durch Hinweis auf folgende Tatsache: Daß dir von der Obrigkeit Wohltaten zuteil werden, dafür, sagt er, gibst du selbst dadurch Zeugnis, daß du ihr Bezahlung leistest. Beachte dabei die kluge Beweisführung des hl. Paulus! Was als Last und als etwas Unangenehmes empfunden wird, das Abgabenwesen, gerade das benützt er als einen Beweisgrund für die obrigkeitliche Obsorge. Warum, fragt er, entrichten wir dem Könige Abgaben? Nicht für seine Obsorge? Leisten wir ihm nicht Bezahlung für seine Sorge als Obrigkeit? Wir würden sie ihm nicht leisten, wenn wir nicht von Anfang her wüßten, daß wir einen Vorteil von diesem Vorsteheramt haben. So aber ist es seit alters allgemeine Überzeugung, daß die Obrigkeiten von uns den Unterhalt beziehen müssen, weil sie bei der Obsorge um die gemeinsamen Angelegenheiten sich um ihre privaten nicht kümmern können und ihre ganze Aufmerksamkeit dem zuwenden, was zur Sicherung unserer Interessen dient. Nach dieser Abschweifung zu einem Beweisgrund aus dem täglichen Leben kehrt der Apostel wieder zu seiner früheren Begründung zurück. Für den Gläubigen hatte nämlich diese mehr Zugkraft. Er weist nochmals darauf hin, daß das nach Gottes Willen so ist, und damit schließt er seine Ermahnung (zu gehorchen), indem er sagt: „Denn sie sind Gottes Beamte.“